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Es werden Posts vom September, 2016 angezeigt.

Wahlkampfspektakel im Endspurtfest

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Noch wird in Antonina der Wahlkampf gefeiert. Das Aus für Carreatas, Passeatas und Trios Elétricos kommt am Samstag (1.), Punkt 22 Uhr. Bis dahin wird aufgeboten, was möglich ist. Kaum steige ich in der Stadt aus dem Bus, werde ich mit Reim-Dich-Friss-Dich-Liedern aus den Lautsprechern des Mini-Trio Elétrico emfpangen. Eine junge Frau läuft auf mich zu und will mir ein "santinho" in die Hand drücken. Danke, sage ich, und schüttle zu ihrer Enttäuschung den Kopf. Das Kopfsteinpflaster ist längst schon zum Mosaik von santinhos geworden, kleine Zettel, die die Konterfeis der Bürgermeister- und Stadtratskandidaten zeigen. Unter dem Konterfei der Herren und Frauen Kandidaten steht die dazu gehörige Nummer, die am Sonntag von den Wählern in die elektronischen Urnen eingetippt werden soll. Ein Pfiff ertönt und der Unterstützungstrupp verteilt sich auf Autos und Motorräder. Kurz später ziehen sie mit herunter gekurbelten Fenstern, aus denen gelb-rote Luftballons hängen, johlend

Dem Saci-Pererê seine Bambusorchidee

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Unser Bambus mit einer Mini-Orchidee, die ich bisher nur auf Guaven-Bäumen gefunden habe Im Bambushorst da lebt der Saci-Pererê, ein kleiner Kobold, der mit Mensch und Tier seine Späße treibt. Damit haben wir auf "unserem" Grundstück für eine kleine Saci-Pererê-Population gesorgt, weil wir an verschiedenen Ecken und Enden Bambus gepflanzt haben. Ein besonders schönes Heim hat er hinter dem Hundezwinger. Da wächst der Bambusa vulgaris prächtigst vor sich hin. Seine Stangen sind am Fuß mit Moos bewachsen und bieten dem kleinen Kobold einen grünen Samt-Teppich. An einem der Kolme hat der Saci-Pererê jetzt sogar eine Balkonblume bekommen, eine kleine Orchidee mit winzigen gelben Blüten. Die habe ich bisher nur auf den Goiaba-Bäumen (Guaven) gefunden. Wer weiß, vielleicht war ja das kleine Männchen selbst am Werk und hat dafür gesorgt, dass sie in seinem Heim wächst. Der Saci-Pererê ist eine Folklorefigur Brasiliens, die auf eine Legende der Indios Südbrasiliens, der Tupi,

Funktionierender Ofen mit qualmender Herdplatte

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Jippih, er funktioniert, unser selbstgebauter Ofen. Alessandro hat einen Kamin mit Backsteinziegeln gemauert. Der ist zwar noch nicht ganz fertig, aber hat schon eine ausreichende Höhe erreicht, so dass wir uns heute an das Ofeneinheizabenteuer gewagt haben. Ein wenig bang war mir ja schon, ob das von mir zusammen gewurschtelte System wirklich so funktionieren wird, wie ich mir das vorgestellt habe. Am Anfang war ich allerdings den Tränen nah, als plötzlich Qualm von der Herdplatte aufgestiegen ist. In Gedanken habe ich uns schon beim Abriss des Kamins gesehen, um den Ausgang vom Ofen zum Kamin zu verlegen und einen besseren Abzug zu erreichen. Die Umleitung des Rauchs war wohl doch nicht so gut, wie sie sich theoretisch angehört hat. Alessandro hat von meiner Abrissidee wenig gehalten. Hat nur gedrückt herum geschaut und dann gemeint, "Nein, der Kamin bleibt. Wir schmieren einfach die Herdringe mit Lehm zu, dann kann der Rauch an deren Rändern nicht mehr austreten, und fertig&q

Wahlbesuch

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Von Weitem waren sie schon zu hören, lachende Frauen und Kinder, redend über dies und das. Wir waren gerade mal beim Bambusschneiden, als die Gruppe laut bellend von Schäferhündin Hanna empfangen wurde. Am kommenden Sonntag sind Kommunalwahlen. Etwa 18.000 Einwohner zählt das Munizip Antonina, das so groß ist wie ein ganzer Landkreis. Im Stadtrat wird die Bevölkerung von elf "vereadores" vertreten, die alle vier Jahre neu gewählt werden. Dieses Mal haben sich 138 Männer und Frauen für die elf Sitze beworben.  Unter ihnen ist auch Tania. Eine junge Frau, die etwa 3 Kilometer von uns entfernt mit ihrer Familie lebt. Sie hat sich am Sonntag, wie auch an den voran gegangenen Wochenenden, auf den Weg gemacht, um für sich zu werben. Die "Passeatas" sind eine der wenigen Möglichkeiten, die den Kandidaten geblieben sind, um auf sich aufmerksam zu machen. Die meisten sammeln Freunde und Unterstützer um sich und ziehen mit einer Schlange aus mit Plakaten bestückten Autos

Verschlungene Bäume im Zauberwald

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Alles ist miteinander verbunden. Ein Baum reckt seine Äste in die Krone des nächsten. Rankende Pflanzen umschlingen Stamm und Zweige klettern zum Nachbarn. Es ist ein Netzwerk der besonderen Art, das überall und jedem Lebensraum bietet. Tausendmal kann ich an der gleichen Stelle vorbei laufen und jedesmal präsentiert sie sich in einem neuen Kleid, mit neuen Details. Moose wachsen im Eiltempo, bilden einen grünen Reliefteppich aus Samt an allem, was sich ihnen als Unterlage anbietet. Er ist mein Zauberwald. Er spendet uns Kühle und ein ausgeglichenes Klima, sorgt für Sauerstoff und für Regen, bindet CO2 und beruhigt Geist und Körper. Den auf "unserem" Grundstück befindlichen Wald haben wir als "remanescente" ausgewiesen, als Fläche für den Klimaschutz, die mit all ihren Bäumen und Wesen erhalten bleiben muss. Könnte ich, würde ich auch den Wald der Nachbarn als Schutzfläche ausweisen, um sicher zu stellen, dass der Rest des Atlantischen Regenwaldes nicht weite

Fauchender Rhinozeroskäfer zu Besuch

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Seit wir Strom im Haus haben, haben wir neue Gäste. Vielleicht haben wir die riesigen Käfer vorher nur nicht gesehen, weil es ohne elektrisches Licht vor der Haustür ein wenig dunkel war. Ich glaube aber, dass sie sich vorher von unserer doch schwächeren Gasfunzel und dem Kerzenschein nicht wirklich angezogen gefühlt haben. Jetzt sind die Fenster nachts mit einigen Watts erhellt. Mit einem Brummen und Platsch fliegen sie dagegen, um kurz später einen erneuten Anlauf zu unternehmen. Anfangs waren die Katzen noch begeistert von ihrem neuen Spielgesellen. Mittlerweile lassen sie ihn links liegen. Wenn ich versuche, ihn aufzuheben, stülpt er mir sein "Geweih" entgegen und grunzt verärgert, "He du, fass mich bloß nicht an". Ich habe ihn schon ein paar Mal unter seinem wütenden Gegrunze weit weg getragen, nur um ihn dann kurz später wieder am Fenster zu begrüßen. Inzwischen hat er sich bei uns eingenistet. Zwischen den vertrockneten Blättern des Bambus hat er sich e

Feuerprobe im von uns gemauerten Holzofen

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Fertig ist unser gemauerter Holzofen, eine Mischung aus Rocket Stove und Minas-Ofen Er raucht ein bißchen. Aber der Kamin ist ja auch noch nicht fertig, d.h. noch nicht einmal angefangen. Alessandro wollte unseren Ziegelstein-Holzofen trotzdem ausprobieren. Wir haben Achterbahn-Wetter. An einem Tag zeigt die Wetterstation eine Höchsttemperatur von fast 37 Grad am nächsten klettert es in der Nacht gerade einmal auf 9,5 Grad. Das Gute daran ist, dass sich die nächtliche Kühle zum Ausprobieren des Ofens anbietet. Er ist eine Mischung aus den hier typischen "Minas Gerais Öfen" und den ökonomischen "Rocket Stoves". Die Öfen aus dem brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais haben keine Türen. Die Holzstämme lagern auf einer Art Ziegeltisch auf, von dem sie nach und nach in die Öffnung geschoben werden, über der sich das Gußeisen befindet. Dahinter schließt sich ein gemauerter Kasten an, in dem sich der Backofen befindet. Der Rauch wird dabei um den Ofeneinsatz her

Erbe der Paralympics Rio 2016

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Es mag darüber diskutiert werden, ob es sinnvoll ist, soviel Geld für einen Megasportevent auszugeben, während es gleichzeitig an allen Ecken mangelt und Finanzmittel beispielsweise für eine ausreichende Gesundheitsversorgung fehlen. Die Paralympics haben es zumindest aber geschafft, dass einige der Alltagsprobleme von Menschen mit Behinderung sichtbar geworden sind. In einem Land, in dem noch so viele Hürden genommen werden müssen, um einen einigermaßen akzeptablen Lebensstandard zu bieten, steht das Thema der Zugänglichkeit nicht wirklich im vordersten Bereich der "Noch-Zu-Tun-Liste". Sie wird eher als Luxus angesehen, statt sie von Anfang an bei allen Planungen einfach zu integrieren. Die Gesetze sind eindeutig. Hin und wieder werden sie auch eingehalten. Zumindest in den Zentren der Großstädte wie São Paulo und auch der Paralympics-Stadt Rio de Janeiro wird mittlerweile mehr darauf geachtet, dass alle Menschen öffentliche Plätze und Gebäude ohne große Probleme b

Honigbaum

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Wäre ich eine Biene, würde ich mich in den Baum verlieben. Schon auf dem Weg zur Bushaltestelle habe ich den starken Duft nach Honig gerochen, den seine tausende Blüten verströmen. Da wusste ich aber noch nicht, dass sie es waren, die meine Nase umschmeichelt haben. Das habe ich erst auf dem Heimweg herausgefunden. Mit dem Rucksack auf dem Rücken, voll mit dem Einkauf, habe ich dem Duft nachgespürt, bis seine Quelle vor mir stand. Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wie der Baum heißt, der da bei uns im Regenwald steht...

Zyklon, Hexen und Windspiele

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Der Wind pfeift um und auch durchs Haus. Den ganzen Tag schon ist er aktiv und wirbelt alles durcheinander, lässt Blätter vor sich her tanzen, reißt Zweige und Bäume um. Es sind die Ausläufer eines Zyklons, der vor der Küste des brasilianischen Bundesstaates Rio Grande do Sul und auf der Höhe von Argentinien herum wirbelt. Wir spüren ihn nur am Rande. Das ist schon ausreichend genug. Weil am Vormittag nichts mehr ging, die Handy- und Internetantenne in ihrem Windtanz kein Signal mehr empfangen hat, habe ich mich auf dem Weg in die Stadt gemacht. Dort angekommen macht es plörtzlich plopp als ich an der Theke des Lan-Hauses stehe um einen Computer für meine Internetarbeit anzuheuern. Weg ist der Strom und er kommt auch nicht wieder. Also fahre ich mit dem 16-Uhr-Bus wieder nach Hause, lasse mir an der Haltestelle noch einmal die Haare zersausen und genieße auf dem Heimweg durch den Wald das Windblütenbild auf dem Weg. Anders als in der Stadt, gibt es im Regenwald überraschenderweis

Indiofrauen wenig begeistert von "zivilisierter" Gesellschaft

Noch gibt es indigene Völker, die abgeschieden von der sogenannten Zivilisation im Amazonas-Regenwald leben. Die Chancen, weiterhin ungestört nach ihren kulturellen Vorstellungen zu leben werden jedoch immer kleiner. Illegale Gold- und Edelsteinschürfer, die skrupellose Holzmafia und Fazendeiros mit Riesenrinderherden zerstören nicht nur weiterhin ihre Lebensräume, sondern bringen auch Krankheiten in die abgelegensten Winkel des Regenwaldes, gegen die die Ureinwohner Südamerikas nicht gefeit sind. Beinahe sind auch zwei Frauen daran gestorben. Nachdem sie in einem Indiodorf, das schon Kontakt mit den nichtindigenen Strukturen hat, Hilfe gesucht haben, sind sie in einem Krankenhaus behandelt worden. Gefallen hat ihnen unsere Gesellschaft aber nicht. Wieder gesund, haben sie sich auf den Rückweg zu ihren Wurzeln gemacht.  Der Artikel "Amazonas-Indianer werfen Blick auf „uns“ – und kehren zurück in den Regenwald" beschreibt ihre Erfahrungen auf eindrucksvolle Weise und

Im Rausch der Frühlingsstürme

Von Weitem ist er schon zu hören. Es ist ein Rauschen, das durch den Wald zieht. Minuten später tobt er über und rund um uns. Irgendwo kracht ein Baum um. Unsere Telefon-Antenne schwankt gefährlich im Wind hin und her, als würde sie versuchen wollen, das verschwundene Handysignal doch noch irgendwie einzufangen. Der Bambus verneigt sich tief mit jeder Böe. (Ein bißchen davon könnt ihr auf dem Video sehen.) Es ist ein Frühlingssturm, der noch einmal kühle Nächte ankündigt und alles in Schwingung versetzt. Romm, eine Türe schlägt zu. Wumm, die Türe zur Veranda wird aufgerissen und der Wind fegt durchs Haus. Die ganze Nacht hält der Sturm an, dann legt er eine Pause ein, um am Abend wieder aufzubrausen.

Blühende Puma-Orchidee

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Eine "neue" Orchidee zeigt sich gerade in Blüte. Als ich sie an einem herab gefallenen Zweig im Wald entdeckt habe, dachte ich zuerst, es ist ein Gold- oder Silberregen. Der Goldregen wächst eher im Halbschatten oder mitten im Wald. Der Silberregen mag eher die Sonne. Manche unserer Guavenbäume sind so voll mit der weißblühenden Orchidee, dass es eine wahre Pracht ist, wenn sie den gageligen Baum in ein Schneeballdepot verwandeln. Die vor einem Jahr gefundene Orchidee stammt aus dem Inneren des Waldes. Immer wieder krachen Äste und Zweige herunter, fallen Bäume um. Bei meinen Spaziergängen sammle ich dann Orchideen, Bromelien und Tilandsien ein und binde sie mit Sisal an anderen Bäumen nahe unseres Häusleins fest. Jetzt hat mich mein Fund mit seiner gelben Blüte und einem zarten Duft überrascht. Hoffentlich macht sie Samen und breitet sich weiter aus. Wie sie heißt, weiß ich nicht. Ich nenne sie "Orquidea-onça", weil sie wie der gefleckte Jaguar dunkle Punktle h

Geräuschvoller Regenwald mit Jacu

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Ein seltsam lauter Ruf eines Tieres und Ästeknacken schrecken Liane hoch. Bis dahin hatte sie die Ruhe ihrer "chácara" genossen. Etwa 1,5 Kilometer von uns entfernt, mitten im Wald liegt ihr Anwesen, das sie zweimal in der Woche besucht. Sie lebt in der Stadt, ist in der Stadt aufgewachsen und hat die chácara als Datscha zur Erholung an den Wochenenden gekauft. Jetzt läuft es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Was ist das für ein Ruf, der lautstark die Stille verdrängt und den ganzen Wald einnimmt? Ein Jaguar? Ein Puma? Oder "nur" ein "bugio", Affen? Das Tor des rund herum eingezäunten Grundstücks ist wie eine Schneuse weit geöffnet. Sie steht neben dem Auto, in dessen Kofferraum sie gerade ihre Ernte gestellt hat, eine Kiste voll mit Manã Cubiu und anderen Früchten. Da ist der Schrei schon wieder. Ist er näher als vorher? Aus welcher Richtung kommt er? Und wenn es doch ein Jaguar ist, der sie als Beute auserkoren hat? Jetzt gilt es handeln. Sie knal