Posts

Es werden Posts vom Juli, 2015 angezeigt.

Fledermausangriff

Das war ja mal wieder toll. Ich sitze so still vor mich am Computer herum. Draußen ist es längst dunkel geworden. Irgendwo quakt ein Frosch, einzelne Grillen zeigen Durchhaltevermögen und zirpen in der subtropischen Winternacht. In der Regenwaldstille vertiefe ich mich in das Thema einer Fledermausart, die über hundert Jahre lang fälschlicherweise für eine andere gehalten wurde. Lonchophylla inexpectata heißt sie seit Neuestem. Inexpectata für Unerwartet, weil die Entdeckung der Täuschung unerwartet war. Vorher hieß sie Lonchophylla mordax. Als ich am Artikel über diese nektarsaugende Fledermausart schreibe, durchbricht ein Flap-Flap die Stille. Beim Drehen des Kopfes sehe ich in den Augenwinkeln die Fledermaus und wie sie auf mich zusteuert. Flap-Flap Richtung Kopf. Geduckt stehe ich auf und betrachte das nächtliche Flugtier, wie es nach einem Ausgang sucht. Ich öffne ihm die Türen. Statt dass er rausfliegt, stürmen die Katzen herein, unter ihnen Bolinha, die Fledermausfängerin.

Vom Fluch der Gasflaschen

Bild
Die Gasflaschen sind von einem Fluch belegt. Sie gehen immer an Samstagen oder Sonntagen aus, an Weihnachten und Ostern oder dann, wenn gerade alle Gashändler geschlossen haben. Nie gehen sie an einem ganz gewöhnlichen Dienstag um 14 Uhr aus, wenn alle Geschäfte geöffnet sind. Unsere Feuerwächter in Aktion Dieses Mal hat uns der Gasflaschenfluch am Samstagabend getroffen. Alessandro hatte gerade die Bohnen im Schnellkochtopf aufgesetzt und den Reis, als er beim Schnippeln der Zwiebeln vom sanften Pluff überrascht wurde, ein letzter kleiner Aufschrei der Gasflamme bevor sie mangels Gasnachschubes erlischt. Ich bin nebenan vor dem nicht funktionierenden Internet gesessen und habe nur ein dreifaches "merda", Mist, gehört, ein Töpfeklappern und Türstoßen. Das Gas ist aus, die Ersatzflasche ist ebenfalls leer und es ist Samstagabend. Obwohl ich weiß, dass es nichts bringt, nehme ich sämtliche Magnete von der Kühlschranktür, auf denen die Telefonnummern der Gashändler A

Seu Sebastião, Boneca und das Gold

Bild
Sebastião ist gestorben. Die Nachricht verbreitet sich noch in der Nacht wie ein Lauffeuer.  Nur wir, wir erfahren es erst am nächsten Tag in der Früh. Die "Nachbarn" der Umgebung haben Angst vor unseren Hunden und vielleicht auch vor dem dunklen Waldweg. Sein Körper ist längst schon nach Curitiba gebracht worden, in die Stadt hoch oben auf dem Hochplateau gut hundert Kilometer entfernt das Küstengebirge hinauf. Dort lebt sein Sohn. Dort wird er zum Velório aufgebahrt und in weniger als 24 Stunden nach seinem Tod begraben. Beim Velório waren keine Nachbarn dabei. Zu weit weg, als dass sie ihm mit der Totenwache, die letzte Ehrung hätten erweisen können. Seinem ledrigen Gesicht und seiner faltigen Haut zu schließen war er ein Methusalem. Vielleicht hat er aber auch nicht einmal 70 Jahre erreicht. Das harte Leben als Kleinlandwirt zeichnet die Körper der Menschen, lässt sie um Jahrzehnte älter wirken. Sebastião war einer der ersten "Nachbarn", mit denen wir Kontak

Kolonisierende Laubfrosch-Verwandschaft im Baumfarn

Bild
Kreckeck, kreckeck, Kreckeck Huch, ein Baumfrosch. Was macht der hier mitten im Winter? Eigentlich kreckecken die Pererecas fleißigst im Sommer, ein wenig auch im Frühjahr. Ich erinnere mich aber nicht daran, dass sie auch im Winter versuchen, Weibchen mit ihrem Gerufe anzulocken. Als wir das Loch für unsere Versatzgrube ausgehoben hatten, sind sie gleich in Scharen aufgetaucht. Von einem Tag auf den anderen, hatte es sich bei ihnen herum gesprochen, dass es einen neuen Laichplatz gibt. Die Grube hatte sich mit Grundwasser gefüllt, das bei uns teilweise schon nach 80 Zentimetern zum Vorschein kommt. Hinter der Grube stand ein Xaxim, ein Baumfarn. Der bot die besten Voraussetzungen für eine neue Kolonisierung. Im Schutz der Blätter haben die drei bis vier Zentimeter kleinen und knallgrünen Pererecas dort nachts ohne Unterlass kreckeckt. Hoch oben haben sie sich auch gepaart, bevor sie sich zur Laichablage in die Grube vor dem Xaxim herabgelassen haben.  Baumfrösche machen ihrem

Wunderland mit Palmenmond

Bild
Ein warmer Wind umfängt mich auf dem Weg zur Bushaltestelle. Die Sonne streichelt mein Gesicht und ich traumwandle in Alices Wunderland, herausgerissen aus meiner Regenwaldrealität. Der Tag passt nicht zu den vergangenen Tagen und auch nicht zu denen, die ihm folgen werden. Es sollte regnen, wie es das auch gestern getan hat, und kühl sein. Es ist Winter und die Wettervorhersage hat nichts vom Wunderland gesagt. Eine der entfernten Nachbarinnen muss vom Wetterwechsel gewusst haben. Schon früh morgens hat sie die Leine mit frisch gewaschener Wäsche bestückt, die jetzt vom Wind hin und her gewedelt wird. An der etwa einen Kilometer entfernten Bushaltestelle angekommen, entdecke ich den Mond am Himmel. Über den Palmen hängt er vergessen herum. Später, in der Stadt schäle ich mich schwitzend aus meiner Fleecejacke, verstaue auch meinen Wollpullover im Rucksack und finde 26 Grad für einen Wintertag doch ein wenig übertrieben. Imbus-Schlüssel muss ich kaufen, einen Blick in mei

Polarluft mit Pinguinen eingetroffen

Bild
Meine Ma sagt, es ist sauheiß. Weit über 30 Grad. Ein Geschwitze ist das hier in Bayern, sagt sie während ich in T-Shirt, Pullover und Fleecejacke eingezwiebelt bin.  Die angekündigte "massa de ar polar" ist eingetroffen. Auf dem Hochplateau in Curitiba hat die Mindesttemperatur nur zwei Grad geschafft. In den Nachrichten zeigen sie einen eingemummelten Reporter in Urupema. Da wurden Minus zwei Grad gemessen, gefühlte minus 19 Grad, wie der Reporter ins Mikrophon bibbert, während Bilder vom mit Reif überzogenen Gräsern und Bäumen gezeigt werden. Bei uns hält sich die subtropische Kälte zum Glück in Grenzen. Meine Wetterstation zeigt elf Grad als die am niedrigsten gemessene Temperatur an und ein freundliches "Hi" für eine Luftfeuchte von über 95 Prozent.  Foto: Liam Quinn from Canada (commons wikimedia.org) Mit der Polarluft sind auch die Pinguine gekommen. Nicht direkt zu uns, aber an die Küste Brasiliens. Sogar an den Stränden Rio de Janeiros und

Sendungsverfolgung über den Wolken

Bild
Sendungsverfolgungen sind eine tolle Sache. Da lässt sich jederzeit sehen, wo sich so eine Sendung gerade befindet, oder auch nicht. Meine ist in der Luft. Irgendwo zwischen Deutschland und Brasilien. "Die Sendung wird ins Zielland transportiert..." steht auf der Seite der Sendungsverfolgung. Mehr wird nicht verraten. Wahrscheinlich ist sie gerade in einem Geheimbereich des Luftraumes, der um keinen Preis bekannt gegeben werden darf. Der nächste Schritt wäre eigentlich die Ankunft im Zielland. So ein Lufttransport braucht aber seine Zeit. So um die zwei bis drei Wochen. So lange benötigt auch ein Schiff, um von Hamburg aus bis nach Santos zu gelangen. Wahrscheinlich hat die Post ein Luftschiff ausgewählt. Jedenfalls steht auf der Seite der Sendungsverfolgung, dass sich das Paket seit dem 19. Juni auf dem Weg ins Zielland befindet. Wer weiß, welches Land sie sich zum Ziel ausgewählt haben. Dabei hat meine Mama das Päckchen schon am 17. Juni aufgegeben, damit es rechtzeit

Straßenausbau mit Kolibri

Bild
Unsere "Straße" ist ein Waldweg oder ein Feldweg. Vor fünf Jahren war es noch ein schlammiger Trampelpfad. Den haben wir mit Genehmigung der Umweltbehörde abziehen und in eine Straße verwandeln lassen. Damals haben wir gemeinsam mit ein paar Nachbarn noch Tonnen von Steinen darauf verteilt, bis der Weg auch per Auto nutzbar war. Vorher mussten wir alles per Muskelkraft und zu Fuß bis zu unserem Häuslein bringen. Holzbretter, Holzbalken, Dachplatten haben wir geschultert und über die 300 Meter Schlammpiste zu unserem Grundstück geschleppt, Ziegelsteine und Sand per Schubkarren und unter Einsatz aller Schiebkräfte zum Haus gekarrt. Mit unserer "neuen" Straße wurde das Leben leichter. Laster und Autoverkehr der Anlieger haben allerdings aus ihr schnell eine Buckelpiste gemacht. Nach dem Aufstellen der Strommasten und dem Anschluß ans "Licht" war vom Weg noch weniger übrig. Ein paar Laster Steingaben haben nicht wirklich geholfen. Also waren mal wieder S

Wasserrohrbruch

Bild
In einem Fernsehmagazin zeigen sie, wie einer alles plant und so Geld und Zeit sparen will. Soviel, wie der plant und Zahlen in die Computertabellen hackt und dann auswertet, bleibt dem gar keine Zeit, um Geld auszugeben, sagt Alessandro. Uns bleibt indes nicht einmal Zeit zum Planen. Die Woche war geplant, endlich meine Fenster fertig zu bauen. Säge, Schleifgerät und Holz habe ich aber kein einziges Mal in die Hand genommen. Nicht einmal von Weitem habe ich mein Werkstattgedöhns angeschaut. Stattdessen habe ich für einen Wasserrohrbruch gesorgt. Toll. Da saß ich völlig zufrieden mit mir und der Welt auf dem Klo und als ich aufstehe, macht es Klack, Schepper, Krchhh und schon sprudelte Wasser aus der Wand. Schuld waren ich und eine Kettenreaktion. Weil über der Kloschüssel ein Fenster ist, ist ausgerechnet dort das Licht am Besten. Also habe ich auf den Wasserkasten der Kloschüssel den großen Spiegel gestellt, um genügend Licht für das Ausdrücken meiner Mitesser zu haben. Da stand er