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Es werden Posts vom Oktober, 2005 angezeigt.

Wahlbewertungen

Immer wieder interessant ist es, das zu beobachten, was passiert nachdem die Wahlergebnisse vorliegen. Dann gibt es ganz tolle Erklärungsversuche von allen möglichen Seiten. Das ist nicht nur in Deutschland so. 63,88 Prozent der wahlberechtigten Bürger Brasiliens haben sich in einem Referendum, einer Volksabstimmung, gegen ein Verbot des Handels von Schusswaffen und Munition ausgesprochen. Nur 36,12 Prozent waren dafür. Keineswegs ein unerwartetes Ergebnis. Umfragen, die vorab stattfanden, hatten ein solches schon ahnen lassen. Erstaunlich finde ich indes die Erklärungen, die jetzt von Politikern und Journalisten abgegeben werden. Von den fast 64 Prozent der Befürworter eines freien Waffenhandels würden 80 Prozent nie eine Schusswaffe kaufen oder in die Hand nehmen, heißt es, glaubt man einer weiteren Umfrage. Dass sie dennoch gegen ein Verbot des Waffenhandels waren, wird mit einer Protesthaltung gegenüber der Regierung begründet. Die solle erst einmal ihre Hausaufgaben machen und für

Absage an das Waffenverbot

Die Umfragen lassen ein knappes Ergebnis zu Gunsten der "Neinsager" vermuten. Schon Wochen vorher machten die beiden Fraktionen mobil. Sowohl diejenigen, die ein Verbot des Waffenhandels befürworten, als auch diejenigen, die es ablehnen, waren mit Werbespots im Fernsehen vertreten. Heute wird es sich zeigen, wie das Referendum ausgegangen ist, das 270 Millionen Reais gekostet haben wird, etwas mehr als 100 Millionen Euro. Vor der Schule hat ein Eisverkäufer zur Begeisterung der Kinder seinen kleinen Stand aufgebaut. Ein Schulbus fährt vor, lässt die aufgesammelten Wähler aussteigen. An den Pfosten, die das Verandadach der Schule tragen, hängen Zettel mit der Frage, über die abgestimmt werden soll, und den zwei möglichen Antworten. Ein Polizist mit Schlagstock am Hüftgürtel dreht im Pausenhof seine Runden und an den Tischen vor den Eingängen sitzen Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung und verteilen "Justifikationen", Formulare, mit denen der Wahlberechtigte offiziell e

Sekretärin zu verkaufen

Toll. Beinahe hätte ich eine Sekretärin gekauft. In den "Lojas Americanas", den Läden aus dem Land, in dem angeblich alles möglich ist. Sogar Sekretärinnen gibt es dort zu kaufen. Im Angebot. 29,90 RS soll eine von ihnen kosten. Ich könnte sie aber auch in Raten zahlen, erklärt die freundliche Stimme aus dem Telefonhörer. Dann wäre innerhalb von fünf Tagen eine Anzahlung von 11,90 RS fällig und danach zwei Monatsraten zu je 9,90 RS an. Bevor ich etwas sagen kann, ist die Dame, mit Namen Jessica, wie sie gleich zu Anfang ohne jede Atempause nach einem gesungenen "Einen schönen guten Morgen" verraten hat, schon dabei, allerhand Vorzüge aufzuzählen. Keine monatlichen Ausgaben nichts und absolute Kontrolle über alle Vorgänge, verspricht sie. Ein einmaliges Angebot in Kooperation der brasilianischen Telekom mit besagten Läden. "Ähm", versuche ich einzuwerfen. Doch das überhört sie geflissentlich. Gnadenlos knattert sie weiter. Klingt wie ein "Ave Maria. Ge

Geduldsprobe

Ich dachte, wenn die "Permanencia", die Aufenthaltsgenehmigung, durch ist, sei alles erledigt. Von wegen. Meine Geduld wird auch weiterhin auf die Probe gestellt. Am 9. Oktober habe ich über die Internetadresse des Justizministeriums nach der Eingabe meines Namens erfahren, dass die Permanençia am 30. August genehmigt wurde. Am Montag war dann tatsächlich auch schon ein Brief vom Justizministerium in meinem Postfach. Der hatte am 30. August das Ministerium verlassen und war dann mal eben sechs Wochen unterwegs. Am 8. September war er das erste Mal in Matinhos, dem Städtchen, in dessen Nähe ich lebe, wie ein Stempel verrät. Anstatt in meinem Postfach zu landen, wurde er aber, warum auch immer, zurück geschickt, um dann am 6. Oktober zum zweiten Mal bei der Post in Matinhos aufzutauchen. Bis er dann im Gemeindeteil Guacyara und an meinem Postfach ankam, dauerte es nochmal vier Tage. Immerhin habe ich ihn jetzt. Ich soll mit der Policia Federal, der Bundespolizei, Kontakt aufneh

Von Wahlen und Frauen

"Jetzt warten wir sehr sorgfältig und in Demut ab, was die Bürger haben wollen", soll Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber gesagt haben, nachdem er seine ausgefüllten Scheine in die Wahlurnen geworfen hatte. Wie wartet man "sorgfältig", Herr Stoiber? Still in der Ecke stehen, den Blick zum Himmel gerichtet und dabei schon alle Seiten eines möglichen Wahlausgangs bedenkend? Ganz so sorgfältig kann das das Warten aber nicht gewesen sein, wenn ich die Berichte verfolge, die am 19. September in der Süddeutschen Zeitung erschienen sind. Ungewissheit spricht aus ihnen. Alles ist offen, wie gehabt. Auch dem Herrn Stoiber hat das "sorgfältige Warten" nichts geholfen. Er weiß immer noch nicht, ob er für ein Amt in Berlin zur Verfügung stehen würde oder nicht. Ich weiß, das ist alles nichts Neues. Ist schon alt. Doch die Zeitungen sind erst gestern in meinem Postfach gelandet, in Form eines Päckchens. Meine Mutter hat alle möglichen Zeitungsausschnitte für mich

Tag der Wiederveinigung

Der wird auch in den brasilianischen Fernsehnachrichten mit einer Reportage gewürdigt. Nach 15 Jahren Einigkeit gibt es die Trennung von Ost und West immer noch, nicht nur in den Köpfen, auch in der Wirtschaft, wie der Bericht aufzeigt. Als Beispiele werden Zahlen der Arbeitslosigkeit genannt und Bilder von Ost- und Westberlin gezeigt: im Westen der Potsdamer Platz, renoviert, aufgeräumt, stark an Ausstrahlungskraft; im Osten vor sich hin bröckelnde Plattenbauten, Tristesse. Halle oder Leipzig, Städte in Ostdeutschland, ansehnlich saniert, werden nicht gezeigt. Gut, nicht alle Stadtviertel Berlins sind das, was Touristen und Bewohner als schön bezeichnen würden. Das gilt aber für viele Städte in Ostdeutschland ebenso wie in Westdeutschland. Viel Geld ist in den vergangenen Jahren von West nach Ost geflossen. So mancher Teil davon ist in irgendwelchen Schatullen von Firmen und Privatleute aus allen möglichen Landesteilen gelandet. Gerichte und Fahnder beschäftigen sich immer noch damit.

Waffenverbot

"Sollte der Handel von Waffen in Brasilien verboten werden?" Alle daumlang ist diese Frage derzeit in Radio und Fernsehen zu hören. Der Grund dafür ist eine Volksabstimmung zu diesem Thema am 23. Oktober. Schon seit einigen Wochen wird in den Medien erklärt, wie die Abstimmung vor sich geht. Ein kleiner Apparat wird gezeigt und ein dicker Daumen, der wahlweise auf die Taste mit der 1 und die 2 drückt. "Denke genau über die Vor- und Nachteile nach, bevor du dich entscheidest", heißt es in der staatlichen Propaganda. Die Aufforderung finde ich gut. Schon bei den Kommunalwahlen war es so, dass dazu aufgerufen wurde, zuerst nachzudenken und dann zu wählen, um danach Wehgeklage zu vermeiden. Ob es wirklich genützt hat, wage ich indes zu bezweifeln. Aber, wer weiß. "Es liegt in eurer Hand", heißt es. Wie demokratisch, denke ich mir, verwerfe den Gedanken aber gleich wieder, als ich den Nachsatz höre, dass die Wahl obligatorisch ist. Wer nicht wählt wird bestraft

Heiliger Franziskus, wo bist du?

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Irgendwo muss er sich versteckt haben, der heilige Franziskus. Wie käme es sonst zu all den Besuchern aus dem Tierreich. Mit zwei Pferden fing es an. Mel (übersetzt Honig), ein kleiner Brauner, hat einfach das Gartentor geöffnet und ist herein stolziert. Im Schlepptau seinen Freund, ein geflecktes Fohlen. Begeistert haben sich die zwei über unsere Wiese hergemacht, die ich schon längst mähen wollte. Weil es seit fast drei Wochen ohne Unterlass regnet, kam ich bisher noch nicht dazu. Habe sie grasen lassen. Schließlich erspart mir das ein wenig Mäharbeit. Habe sie aber beobachtet, damit sie sich ja nicht über meine Kräuter und die Blumen hermachen. Kurz darauf gaben sich die Kolibris ein Stelldichein. An unserer Veranda haben wir eine Tränke für sie aufgehängt, mit gelben, roten, blauen Plastikblumen, in die sie ihre langen Schnäbel stecken, um das Zuckerwasser zu trinken, mit dem wir die Tränke alle zwei Tage auffüllen. Einer der Kolibris ist der Platzhirsch. Er bestimmt, wer trinken