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Es werden Posts vom November, 2005 angezeigt.

Nachwuchs

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Sind sie nicht süß? Nch 64 Tagen hat Sissi endlich das Geheimnis ihres kugelrunden Bauches entlassen. Was im Deutschen mit "zur Welt bringen" umschrieben wird, nennen die Brasilianer "Dar Luz" (Licht geben). Eine schöne Beschreibung. Am Mittwoch war es so weit. Gleich fünf Kätzlein hat Sissi geboren. Zwei Schwarze, eine bunte Glückskatze, eine Grau-Weiße, wie sie selbst, und eine Braun-Schwarze mit weißfleckigem Gesicht. Jetzt ist die Bude voll. Stellten die Nachbarskinder fest und meinten gleich, dass wir mit so vielen Kätzlein doch gar nicht leben könnten. Sie würden uns da gerne helfen. Wenn das mal ihre Mütter wüssten. Die wären da, glaube ich, ganz anderer Meinung. Sissi geniesst sichtlich ihre Stillstunden. Am ersten Tag hat sie ihr Nest in unserem Kleiderschrank gar nicht verlassen. Erst im Morgengrauen hat sie sich auf die Suche nach Katzenfutter gemacht. Am ersten Tag danach war das schon anders. Völlig selbstbewusst ist sie an mir vorbei gestiefelt und zu

Spinnenbiss

Arme Angela. Sie muss die Beine hochlegen. Eine Spinne hat sie gebissen. Keine dieser behaarten, großen Vogelspinnen. Nein. Eher klein war sie. Nur ein bißchen größer als eine Kreuzspinne. Braun und unspektakulär sah sie aus. Hatte sich unter einem der Blätter versteckt, die der Sommersturm gestern abend in Gärten und auf Terrassen geweht hat. Sie wurde aus ihrem Versteck gerissen, als Angela heute morgen die Blätter von der Terrasse fegte. Anstatt zu fliehen, griff sie an, sprang auf Angelas Fuss und biss zu. Ruckzuck verfärbten sich Fuß, Bein der einen und dann auch der anderen Seite rot. Ihr Mann hat sie ins Krankenhaus gefahren, in der nächsten Stadt. Drei Spritzen, Antibiotika und Cortison. Nach ein paar Stunden sah sie wieder normal aus. Nur der Fuß, der ist immer noch geschwollen und schmerzt. Werde die nächsten Tage auf das Blätterfegen verzichten. Auch, wenn Angela versucht, mich zu beruhigen. In den 47 Jahren ihres Lebens, sagt sie, sei ihr so etwas noch nicht passiert und im

Sommeranfang, Schnee und andere Sentimentalitäten

Es schneit, sagt meine Mutter. Wie schön, Schnee. Schön? Kalt. Aber idyllisch, sei ehrlich. Naja. Zu einem richtigen November gehören Schnee und Kälte, Matsch und Ofenfeuer. Seit über einem Jahr lebe ich in Brasilien. Mein Kopf hat sich indes noch nicht so ganz daran gewöhnt. Sonne, Palmen, Strand, 30 Grad passen nicht zu November, sagt mir mein Gedächntis. Es ist nicht November, der Vorbote der kalten Jahreszeit, wenn es draussen 30 Grad hat, und die Adventszeit ist auch noch in weiter Ferne, flüstert meine Erfahrung. Schweißperlen auf der Stirn bei der kleinsten Bewegung signalisieren Fieber oder Sommer. Fieber habe ich nicht. Es ist Sommer. Und es ist alles anders. Weihnachten ist nur noch wenige Wochen entfernt und Freunde, die 40 Jahre lang im Herbst oder Winter Geburtstag hatten, haben diesen jetzt im Sommer, diejenigen die ihn im Sommer hatten, haben ihn jetzt im Winter. Verdrehte Welt. Die Feuerlilien treiben ihre Blüten. Ein untrügliches Zeichen für den Sommeranfang, für Mai-

Es ist Sommer

Es ist Sommer und es ist der Gründungstag der Republik Brasilien. Am 15.11.1889 wurde sie offiziell ausgerufen. Jetzt, 116 Jahre später, ist das Grund genug zum Feiern. Viele Curitibaner haben sich ein verlängertes Wochenende gegönnt, haben Sonnenschirm und Badehose eingepackt und sind der Zweimillionenstadt Curitiba entflohen, die etwa 120 Kilometer von hier entfernt im Landesinneren liegt. In Bikini und Badehose ziehen sie an unserem Haus vorbei, früh morgens gen Strand, mittags gen Mittagstisch, nachmittags wieder gen Strand und abends zum Ferienhäuschen, um dort Rinderrippen und Co zu grillen. Der Duft von Sonnencreme und Grillfleisch wabert an uns vorbei, stimmt uns auf den Sommer ein. Ein paar Häuser weiter spielen einige Jugendliche Disco. Ihr Auto gleicht einer Tonanlage. Dort, wo einmal der Kofferraum war, sind jetzt riesige Boxen, hunderte Watt schwer. Ihnen kann keiner entfliehen. Auch wir nicht. Bob Marley schreit uns "No woman no cry" entgegen. Brasilianische Pop

Lesen für die Zukunft

"Sag mal, darf meine Vanessa auch zu dir kommen?" In ein paar Wochen ist das brasilianische Schuljahr zu Ende. Das erste von Vanessa. Lesen hat sie in dem Jahr nicht gelernt. Ihre beiden Brüder, Eduardo und Alexandre, in der zweiten und dritten Klasse können es mittlerweile. Ein paar Mal haben sie mich besucht, mit mir lesen geübt. Stolz blickten sie drein, wenn sie mir ein Wort erklären oder meine Aussprache verbessern konnten. Eduardo, der Jüngere, liest inzwischen hervorragend, fließend, mit einer Melodie, als würde er für ein Hörspiel eine Geschichte erzählen. Alexandre muss noch etwas üben, ist aber auch nicht schlecht. "Die Lehrerin hat mich schon gefragt, was ich mit den Jungs gemacht habe, weil sie plötzlich lesen können", sagt Val, die Mama der Jungs und von Vanessa. So oft waren sie doch gar nicht bei mir beim Lesen, antworte ich. Doch anscheinend habe ich sie angestachelt. Jetzt würden sie sogar Comics lesen, sagt Val. Nur Vanessa, die wolle noch nicht so

Raupentiere

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Ratzinger, wo bist du? Musste schon so oft an dich denken. Wer hätte das gedacht. Riesige blaue Schmetterlinge sind daran schuld, schweben tagsüber ums Haus. Nicht immer, aber ab und zu. Und vor einiger Zeit haben braune Nachtfalter Küche und Veranda in Beschlag genommen. Hunderte schwirrten um die Glühbirnen, ließen sich auf Wänden, Schränken und Boden nieder. Etliche starben, der Rest zog am nächsten Morgen wieder ab. Ja, Morgen, nicht Abend, wie es für Nachtfalter eigentlich üblich wäre. Jetzt sind es haarige Raupen, so groß wie mein kleiner Finger, die sich einen Platz zum Verpuppen suchen. An was sie sich dick gefressen haben, weiß ich nicht. Anders als die Blattschneiderameisen, haben sie keine Stengelgerippe hinterlassen. Kamen vielleicht vom Nachbargelände über den Jasminstrauch zu uns herüber. Vielleicht verbirgt sich ja einer der schönen, schillernden Falter dahinter. Wer weiß. Werde einige der Puppen einsammeln, so sie denn morgen noch zu finden sind, und warten, was aus ihn

Päckchen, Kühlschrankreparatur und Visum

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Jippih. Ein Päckchen von meiner Mutter mit Wollsocken drinnen, Zeitschriften, Creme und Dominosteinen. Die Dominosteine wird es am 1. Advent geben. Die Socken werden heute abend ausprobiert. Ja, nachts ist es immer noch kühl. Tagsüber hat es zumindest heute schon 25 Grad gehabt - und Sonne - ein seltener Gast. Um die Sonnentage der vergangenen zwei Monate zu zählen, reichen die Finger einer Hand. Hatte schon bedenken, dass ich Schwimmhäute bekomme. Ging aber gerade noch einmal gut. So viel ist in der vergangenen Woche passiert, dass ich gar nicht zum Schreiben gekommen bin. Der Kühlschrank hatte seinen Dienst verweigert. Ein neuer ist momentan aber nicht drinnen. Vielleicht ein gebrauchter? Immerhin werden jede Menge gebrauchte Kühlschränke zum Kauf angeboten. Der Preis für einen Kühlschrank, der bereits zehn Jahre auf den Buckel hat und von einem Rostmuster geziert ist, liegt allerdings nur unerheblich unter dem eines Neuen. Zum Glück gibt es aber die "Refrigeração", eine Kü

Gnocchi ohne Bohnen und ohne Reis

Warum er sich wohl ausgerechnet Gnocchi zum Abendessen gewünscht hat? Sind sie doch keineswegs kommun hier in Brasilien. Diejenigen, die italienische Vorfahren haben, mögen sich unter Gnocchi vielleicht noch etwas vorstellen können. Aber der Rest? Einmal, ganz zu Anfang, als ich erst ein paar Tage in Brasilien war und in Alessandros Familie noch für Aufgeschau sorgte, da kam eine Tante zu Besuch, um zu sehen, was das für eine ist, die Deutsche, die jetzt hier bei ihnen lebte. Damit ich mich ein wenig wie zu Hause fühle, wie in Deutschland, machte sie Gnocchi für mich. Immerhin liegen die beiden Ursprungsländer, das der Gnocchis und auch das meine, in Europa, und da ist alles ganz nah zusammen und alles gleich, wie einige Brasilianer sich das so vorstellen. Und die Tante hatte ja auch noch gemeinsame Wurzeln mit mir. Ihre Ururgroßmutter stammte aus Italien. Also gab es Gnocchi mit Tomatenbrei, Reis und Bohnen. Reis und Bohnen gibt es immer, unabhängig davon, ob Pizza, Kartoffelauflauf o

Geburtstag und Allerheiligen

Es ist ein besonderer Tag heute. Nicht nur weil Allerheiligen ist, der Tag, zu dem in Bayern die Gräber festlich geschmückt werden und an dem den Toten gedacht wird. Allerheiligen ist auch der Geburtstag meines Sohnes. 13 Kerzen würden seine Geburtstagstorte zieren. 13 Jahre wäre er jetzt alt. Nicht einmal seinen ersten Geburtstag konnten wir allerdings feiern. Er kam viel zu früh auf die Welt. Winzig klein war er, gerade einmal eine Hand voll Leben, und doch wirkte er so stark. Was blickte er stolz drein, als nach einigen Wochen der Schlauch aus seiner Nase gezogen wurde und er selber schnaufen durfte, ohne die Hilfe von Maschinen. Alle paar Stunden pumpte ich meine Milch ab, die ihn schnell wachsen ließ. Etliche Hürden hatte er genommen, als er sich ansteckte und eine Lungenentzündung bekam. Dann gab er den Kampf auf. Sieben Monate war er alt, als er starb. Manchmal stelle ich mir vor, wie er heute aussehen würde, was er so machen würde. 13, ein großer Junge mit etlichen Flausen im K