Sommeranfang, Schnee und andere Sentimentalitäten

Es schneit, sagt meine Mutter. Wie schön, Schnee. Schön? Kalt. Aber idyllisch, sei ehrlich. Naja. Zu einem richtigen November gehören Schnee und Kälte, Matsch und Ofenfeuer. Seit über einem Jahr lebe ich in Brasilien. Mein Kopf hat sich indes noch nicht so ganz daran gewöhnt. Sonne, Palmen, Strand, 30 Grad passen nicht zu November, sagt mir mein Gedächntis. Es ist nicht November, der Vorbote der kalten Jahreszeit, wenn es draussen 30 Grad hat, und die Adventszeit ist auch noch in weiter Ferne, flüstert meine Erfahrung. Schweißperlen auf der Stirn bei der kleinsten Bewegung signalisieren Fieber oder Sommer. Fieber habe ich nicht. Es ist Sommer. Und es ist alles anders. Weihnachten ist nur noch wenige Wochen entfernt und Freunde, die 40 Jahre lang im Herbst oder Winter Geburtstag hatten, haben diesen jetzt im Sommer, diejenigen die ihn im Sommer hatten, haben ihn jetzt im Winter. Verdrehte Welt. Die Feuerlilien treiben ihre Blüten. Ein untrügliches Zeichen für den Sommeranfang, für Mai- und Junigeborene. Das gilt immer noch. Doch bieten die einst über Jahrzehnte gelernten Zeichen keine Orientierung mehr für das Kalendarium, für die kleinen und großen Feiertage. Mein Kopf weiß das, hat aber noch nicht alle Synapsen umgepolt. Er hinkt hinterher, was dazu geführt hat, dass ich so ziemlich alle Geburtstage in diesem Jahr vergessen habe, dass ich immer noch in der Osterzeit herumhänge und nicht in der Vorweihnachtszeit. Verzeiht all ihr Geburtstagskinder. Mir ist der Jahresverlauf abhanden gekommen. Werde mal ein ernstes Wörtchen mit meinem Gehirn reden und daran arbeiten, dass die Umpolung schneller vonstatten geht. Das nehme ich mir schon einmal für das nächste Jahr vor, das ja auch schon verdächtig nahe gerückt ist.

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