Absage an das Waffenverbot

Die Umfragen lassen ein knappes Ergebnis zu Gunsten der "Neinsager" vermuten. Schon Wochen vorher machten die beiden Fraktionen mobil. Sowohl diejenigen, die ein Verbot des Waffenhandels befürworten, als auch diejenigen, die es ablehnen, waren mit Werbespots im Fernsehen vertreten. Heute wird es sich zeigen, wie das Referendum ausgegangen ist, das 270 Millionen Reais gekostet haben wird, etwas mehr als 100 Millionen Euro.
Vor der Schule hat ein Eisverkäufer zur Begeisterung der Kinder seinen kleinen Stand aufgebaut. Ein Schulbus fährt vor, lässt die aufgesammelten Wähler aussteigen. An den Pfosten, die das Verandadach der Schule tragen, hängen Zettel mit der Frage, über die abgestimmt werden soll, und den zwei möglichen Antworten. Ein Polizist mit Schlagstock am Hüftgürtel dreht im Pausenhof seine Runden und an den Tischen vor den Eingängen sitzen Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung und verteilen "Justifikationen", Formulare, mit denen der Wahlberechtigte offiziell erklärt, warum er nicht abstimmt. Denn Wahl ist in Brasilien Pflicht. Auch bei Volksabstimmungen. Wer krank ist, sich an einem anderen Ort als seinem Wahlkreis aufhält, oder sonst aus irgendeinem Grund nicht an der Abstimmung teilnehmen kann, muss sich rechtfertigen. Wer das nicht tut, darf eine Strafe von drei Reais (1,10 Euro) zahlen. Es sei denn, er ist Wiederholungstäter. Nach dreimaligen Nichtwählen kann es Probleme geben, etwa bei der Beantragung von staatlichen Hilfen oder der Bewerbung um eine Arbeitsstelle.
Alessandro legt seinen Wahlausweis vor, der sich vom normalen Ausweis nur dadurch unterscheidet, dass der Fingerabdruck fehlt. Der Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung tippt die Nummer von Alessandros Wahlausweis in eine Art Rechenmaschine, trägt sie in ein Register ein und stempelt die Justifikation ab, ein offizielles Dokument, das er gut aufbewahren soll, wie ihm mitgeteilt wird.
In den Klassenzimmern der kleinen Schule sind Wahlkabinen aufgebaut. Kabel führen von den Sperrholzaufbauten zu den Tischen und Steckdosen. Wahlzettel und Stifte, mit denen Kreuzchen gemacht werden könnten, gibt es nicht. Dafür sind die Wahlkabinen mit kleinen Apparaten ausgerüstet, die denen an den Kassen der Supermärkte ähneln. Nur, dass in den Klassenzimmern nicht die Kreditkarte durchgezogen wird. Es werden vielmehr Tasten gedrückt: die mit der Eins gegen ein Verbot des Waffenhandels, die mit der Zwei für ein Verbot. Bei jedem Tastendruck ertönt eine kleine Melodie, die den Wahlhelfern verrät, ob der Bürger seine Pflicht erledigt oder einen Fehler gemacht hat.
Bis 18 Uhr wird gewählt, dann werden die Ergebnisse auf den Speichermedien der Wahlapparate an die Zentrale weiter geleitet und dort ausgewertet. Gegen 21 Uhr zeichnet sich bereits ein mehrheitliches "Nein" ab. Damit wird der Handel von Waffen und Muniton weiter erlaubt sein. Schade. Damit wird es weiterhin jede Menge unschuldige Opfer geben. Die Statistiken zeigen: fast 40 Prozent der Waffen, die von der Polizei bei Strafdelikten sicher gestellt wurden, waren irgendwann einmal legal erstanden worden. Abgesehen davon, dass auch sogenannte "gute Bürger" Straftaten begehen können, ist die Mehrheit dieser 40 Prozent in die Hände von Kriminellen gelangt, sei es durch Raub oder wie auch immer.
Mit Freunden und Bekannten, die zu Besuch gekommen sind, diskutieren wir das Ergebnis. Keiner von uns hat eine Waffe. Einige von uns glauben allerdings, dass sie sich mit einer Schusswaffe sicherer fühlen würden und fordern den "Staat" zum Handeln auf, bevor er die Frage stellt, ob Waffen verboten werden sollten oder nicht. So hat wohl auch die Mehrheit der Bevölkerung gedacht. Zumindest zu einem Teil hat sie recht. Abgesehen von dem Referendum ist Handeln gefordert, um die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen und die Zahl der 36.000 bis 39.000 Toten und zigtausend Verletzten durch Schusswaffen zumindest zu verringern. Nur zur Erinnerung: Brasilien hält damit einen traurigen Rekord. Nur in Venezuela sterben prozentual gesehen mehr Menschen durch Schüsse als in Brasilien. Betroffen ist vor allem die Jugend. So ist in Brasilien die Hauptursache für den Tod in der Gruppe der 15 bis 25 Jährigen eine Schussverletzung.

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