700 Kreuze gegen Gewalt
700 Kreuze
mitten in der Stadt
der Stadt, die berühmt ist für ihren Carneval,
der Stadt, die berühmt ist für ihre Favelas,
der Stadt, die berühmt ist für Mord und Gewalt
700 Kreuze
aufgestellt am Strand,
der berühmten Copacabana
aufgestellt dort, wo sonst Touristen Ahs und Ohs verströmen,
wo Männer und Frauen dem Kult des Sonnens nachgehen
aufgestellt am Strand,
der berühmten Copacabana
aufgestellt dort, wo sonst Touristen Ahs und Ohs verströmen,
wo Männer und Frauen dem Kult des Sonnens nachgehen
Kein schöner Anblick sagen ein paar Passanten
Nein, kein schöner Anblick,
ein schauriger Anblick,
ein Kreuz,
ein Menschenleben
700 Kreuze
hinter jedem verbirgt sich eine Geschichte,
verbirgt sich Leid und Trauer und Wut,
verbirgt sich das, wovor die Welt die Augen verschließt,
verbirgt sich unsägliche Gewalt
Männer und Frauen haben sie aufgestellt
haben sie aufgestellt für ihre ermordeten
Söhne, Töchter, Väter, Mütter, Schwestern und Brüder
haben sie aufgestellt, um zu klagen,
um zu mahnen
700 Kreuze
ein jedes für einen Mann, eine Frau, ein Mädchen, einen Jungen,
die allein schon dieses Jahr in Rio de Janeiro ermordet wurden,
ermordet von Banditen, von Polizisten, von Mitmenschen
und von Querschlägern
700 Kreuze
für 700 Morde in weniger als drei Monaten,
fast zehn Morde pro Tag!
Frieden
fordern die Angehörigen,
fordern die Menschen Rio de Janeiros
Frieden
für eine Stadt, in der ein Krieg ohne Kriegserklärung herrscht
Endlich wird gegen die Gewalt demonstriert. Nicht nur in Rio de Janeiro. In São Paulo haben Studenten eine Protestaktion veranstaltet. Allein, sie blieb von den meisten Passanten unbeachtet. Wer will sich schon an dieses Ungemach erinnert wissen, das einen täglich 24 Stunden lang begleigtet.
In Ländern, in denen die Schere zwischen Reich und Arm besonders auseinanderklafft, zählt ein Menschenleben nicht viel, sind Nachrichten wie diese, über die Ermordung eines Busfahrers am hellichten Tag für eine Beute von 28 R$, 11 Euro, nichts Ungewöhnliches, oder die Nachricht über die Ermordung der Missionarin Dorothy Steng (ihre Ermordung wurde für ein paar tausend R$ von reichen Grundbesitzern in Auftrag gegeben), die sich für Landlose und den Amazonasregenwald eingesetzt hat.
Wer von Gewalt umgeben ist, stumpft ab.
Ein stummer Aufschrei ging erst durchs Volk und durch die Medien, als vor wenigen Wochen ein sechsjähriger Bub zu Tode geschleift wurde. Drei Jugendliche haben an der Ampel eine Frau überfallen. Sie aus dem Auto gezerrt, das sie klauen wollten. Die Tochter konnte noch aussteigen. Keine Zeit haben die Jugendlichen der Frau gelassen, um ihren Sohn aus dem Kindersitz zu befreien. Er blieb im Sicherheitsgurt hängen, als die Männer mit dem Wagen davon brausten.
Da haben sogar die Politiker ein wenig aufgeschaut, haben schnell ein paar Gesetzesänderungen in die Wege geleitet und Versprechungen gemacht. Jetzt gibt es angeblich mehr Razzien - in den Favelas und bei der Polizei, jetzt soll versucht werden, den Filz der Gewalt zu entwirren.
Vielleicht geschieht dieses Mal wirklich etwas.
Zumindest wehren sich jetzt einige Teile der Bevölkerung Rios und Brasiliens gegen die Gewalt und fordern Frieden, fordern eine menschenwürdige Zukunft für ihre Kinder.
Ich hoffe, dass sie durchhalten,
dass sie viele, viele andere Menschen dazu animieren werden,
gemeinsam mit ihnen zu demonstrieren,
dass der Protest anschwillt zu einer riesigen Welle,
einer Welle der Veränderung.
Die Geschichte zeigt, dass das möglich ist, seien es die Montagsdemonstrationen, die Ostermärsche, die französische Revolution oder Boykotte:
Sie haben etwas bewegt!
Kommentare
Vielleicht noch ein Satz: Zieht bitte nicht dahin.
Und: Möge es Erfolg haben.
Gruß, Labbatú - der Rabe ist mal in Urlaub geflogen
Nein, da ziehen wir mit Sicherheit nicht hin. Wer weiss, ob wir überhaupt umziehen. Seufz es ist alles noch so durcheinander in meinem Kopf...
ganz liebe Grüsse Gabriela
Ich dachte, ihr wolltet dortbleiben? Na, das wird sich schon alles zeigen. Sag´ich mir auch immer.
Für Dich auch alles Liebe, Labbatú ohne den Urlauber-Raben
danke, dass Du in Worte fasst, wofür ich schlecht welche finde !
Das ist alles so vielschichtig !
LG Ursel