Zeit der Schlangen: Little Big Jo in Aktion


Sie sieht aus wie eine Jararaca, eine der giftigsten Vipern der Welt. Sie ist allerdings völlig wehrlos und hat keine Giftdrüsen. "Dormideira" wird sie von den Einheimischen genannt, die Schlafende. Anders als ihre nachgeahmten Verwandten aus dem Reich der Serpenten reagiert sie selbst bei einer Bedrohung wie ein Buddha: mit ungeahnter Ruhe und Gelassenheit.

Als ich sie mit dem Besen aufgable, um sie in den Eimer zu schubsen, versucht sie nur langsam davon zu schlängeln.

Kater Little Big Jo hat sie aufgestöbert. Am Tisch sitzend habe ich ihn durch das Fenster gesehen, wie er gebannt in eine Richtung am Boden starrt, eine der Pfoten erhoben. Wie eine Statue stand er da und hat sich nicht bewegt. Inzwischen weiß ich diese Haltung der Katzen zu deuten. Haben sie eine Schlange erspäht, verharren sie erst einmal, um den besten Moment für eine Atacke abzuwarten.


Dazu will ich es nicht kommen lassen. Zum Einen, weil der Angriff daneben gehen und mit einem Schlangenbiß enden könnte. Zum Anderen, weil ich nicht will, dass unsere Katzen Schlangen erlegen. Sie sind wichtige Teile des Ökosystems und für dessen Gleichgewicht mitverantwortlich.

Im Rausgehen packe ich den Besen, mit dem ich die Schlange aufgabeln und vor Little Big Jo retten kann.

Little Big Jo, unser Schlangendompteur
Little Big Jo ist unser Schlangendompteur. Vor wenigen Wochen kam er mit einem gelb-schwarzen Armband angelaufen als ich ihn zum Futterfressen gerufen habe. Das Armband war eine Cobra d'agua, eine Wasserschlange. Wahrscheinlich hatte sie es aufgegeben, ihm zu entfliehen und sich in einem Rettungsversuch einfach um seine Pfote gewickelt. Ein Schlag mit der anderen Pfote war ihm unmöglich, weil er sonst umgefallen wäre. Ein packen ihres Kopfes mit dem Kopf war ebenso nahezu unmöglich. Im Kräftegleichstand hatte er sich schließlich entschlossen, sein neues Armband zu ignorieren. Erst als Little Big Jo seine ganze Aufmerksamkeit auf den vor ihm stehenden Futternapf gerichtet hatte, hat sie sich geschmeidig von der pelzigen Pfote gelöst und sich dann langsam von der Katzenbande unbemerkt entfernt.

Der Dormideira ist der Coup nicht gelungen. Zuerst dachte ich, es ist eine Jararaca. Jararaca und Dormideira sehen sich sehr ähnlich. Der eindeutigste Unterschied ist, dass die giftige Viper diese "fosseta loreal" hat, zwei kleine Öffnungen an der Seite des Kopfes, zwischen Auge und Nase. Mit denen machen Giftschlangen Temperaturunterschiede aus. Das hat uns mal ein Biologe erklärt und dabei eine Jararaca hoch gehalten. Nein, ich halte mir die Schlange jetzt nicht nah vors Gesicht, um diese Öffnungen ausfindig zu machen. Ich lasse sie im Kübel und trage sie damit ein paar hundert Meter weiter, um sie dort im Wald fernab unseres Hauses freizulassen - in der Hoffnung, dass sie nicht zurück schlängelt.

Ihrer Körperzeichnung und ihrem Verhalten nach bin ich mir sicher, dass es eine Dormideira war.

Sie wird nicht die einzige Schlange sein, die uns in den nächsten Wochen begegnen wird. Herbst und Frühjahr ist Schlangenzeit. Im subtropischen Winter ist es ihnen zu kühl und im Sommer zu heiß. Begegnungen sind dann eher selten.

Über Google stoße ich auf eine Nichtregierungsorganisation zum Umweltschutz. "Amda" heißt sie. Dort steht, dass allein in Brasilien 392 verschiedene Serpentenarten katalogisiert sind. "Nur" 63 von ihnen sind giftig. Im Atlantischen Regenwald soll es 200 Schlangenarten geben.

Viele sehen sich sehr ähnlich. Die Einheimischen beschränken sich deshalb auf wenige Namen. Auf unserem Sítio sind uns schon ein paar Arten begegnet. Von den giftigen waren es Coral, Jararaca, Jararacuçu. Von ihren harmlosen und ungiftigen Verwandten fallen mir Caninana, Cobra cipó, Cobra d'agua, Dormideira und Falsa coral ein, wobei sie hier unter Dormideira gleich mehrere Arten zusammenfassen.


Nein, ich habe kein Foto von ihr gemacht. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, sie zu retten. Als Entschhädigung stelle ich euch ein Foto einer Cobra d'agua ein. Wasserschlange heißt das übersetzt. Die Biologen nennen sie Erythrolamprus miliaris. Ihr deutscher Name ist Wasser-Goldbauchnatter. Wir haben sie "erwischt" als sie dabei war, einen Frosch zu verspeisen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wasser-Goldbauchnatter bei der Mahlzeit

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