Wir werden Meister im candlelight cooking

Küche im Kerzenschein

Wir sind wieder in die candlelightphase eingetreten. Eigentlich sind Stromausfälle eher eine Sommersache, wenn es beinahe täglich gewittert. Jetzt fällt der Strom aber auch ohne Gewitter oder Sturm des öfteren aus. Dann kommen Kerzen und wiederaufladbare Notlichter zum Einsatz. Die Notlichter gibt es hier für wenige Reais überall zu kaufen, im Baumarkt und auch im Supermarkt, weil Stromausfälle eben keine Seltenheit sind.

Als wir noch nicht an das Stromnetz angeschlossen waren, hatten wir ein "liquinho", ein Gaslicht, versorgt über eine Gasflasche. Es war eher eine Funzel als ein Licht, die wir längst pensioniert haben.

Laut dem brasilianischen Statistikamt IBGE sind 0,5 Prozent der Haushalte des Landes immer noch nicht ans öffentliche Stromnetz angeschlossen. Bei 72,4 Millionen Haushalten sind das 362.000 Haushalte oder über 1,4 Millionen Menschen, die nachts mit einer Gasfunzel ihre guten Stuben erhellen - so sie denn Zugang zu den teuren Gasflaschen haben.

Autos fahren Masten um und Klau von Stromleitungen

Beim Stöbern darüber, Warum bei uns derzeit so oft der Strom ausfällt, bin ich auf doch sehr interessante Daten gestoßen. Im Hinterland des Bundesstaates São Paulo wurde die Stromversorgung 2018 in nur zwölf Monaten beispielsweise 436 mal unterbrochen, weil Autos oder Laster gegen Strommasten gekracht sind. Kein Witz, eine Tatsache.

Zumindest haben nicht nur wir ständig Stromprobleme. Im Hauptstadtdestrikt Brasília haben sich die Beschwerden über Stromausfälle 2019 gegenüber 2018 verdreifacht. Nach meinem ganz persönlichen Empfinden haben die Ausfälle auch bei uns zugenommen.

Als Gründe werden in der Regel Gewitter, Stürme, auf die Leitungen fallende Zweige und auch der Diebstahl von Transformatoren und Stromleitungen angegeben. Eine Zunahme erklärt das allerdings nicht. Wir leben im Wald, da fallen immer einmal Bäume um oder krachen Zweige auf die Leitungen. Da gibt es wenig Unterschiede zwischen den Jahren.

Dürre und leere Stauseen

Vielleicht spielt ja auch die in Paraná seit über einem Jahr anhaltende Trockenheit eine Rolle. Offiziell wird das verneint, aber wer weiss das schon genau. Beinahe 60 Prozent des brasilianischen Stroms werden von Wasserkraftwerken erzeugt. Sind die Stauseen einer Region zu leer für die Stromproduktion, werde aus anderen Bundesstaaten zugeliefert, heisst es dazu vom Stromversorger Copel. Aber auch in anderen Regionen mangelt es an Niederschlägen, wie im Zentralen Westen, in dem das größte Feuchtgebiet der Weltl iegt, das Pantanal, oder im Südosten, der den Wirschaftsmotor São Paulo beherbergt.

Nach dem Wetteramt Simepar gehört die Küste Paranás, wie auch das Pantanal, zu den Regionen, in denen seit Monaten die stärkste Dürre der vergangenen 50 Jahre herrscht. Es regnet zu wenig. Einige der für die Wasserkraftwerke Paranás notwendigen Stauseen weisen derzeit nur 38 bis 47 Prozent ihrer Kapazität auf und sind damit mehr leer als voll. Regnet es dann einmal, ist es eher ein zerstörerischer Regensturm, wie der Zyklon vor drei Monaten. Er hatte hunderte von Strommasten umgeknickt und uns tagelang candlelight-cooking beschert.

Während ich das hier schreibe, sind wir übrigens auch schon wieder kurz im Dunkeln gesessen - ohne Gewitter und ohne Sturm.

Ob es veraltete Leitungssysteme sind? Brasilien kämpft seit Jahren mit einer Wirtschaftskrise und einem Mangel an Investitionen in die Infrastruktur. Aber auch dazu heisst es offiziell "Nein". 

Auf der Site des Landwirtschaftsverbandes lese ich, dass Stromausfälle in ländlichen Regionen nicht ungewöhnlich sind. In der Landwirtschaft werde immer mehr auf eine Automatisierung gesetzt, mit mehr elektrischen Geräten. Folglich steigt auch der Strombedarf. Die Investitionen in das Stromnetz haben indes nicht im gleichen Ausmass mitgehalten. Die Modernisierung des Systems hinkt hinterher. Das wird selbst vom Stromversorger Copel eingeräumt. Der spricht von Jahrhundertinvestitionen und verspricht Verbesserungen. Da bin ich ja mal sehr gespannt, wann die kommen. 

Bis das soweit ist, werden wir wahrscheinlich zu Meistern im candlelight cooking, dem Kochen bei Kerzenschein.


Quellen:
http://www.aen.pr.gov.br/modules/noticias/article.php?storyid=108289&tit=Estiagem-no-Parana-pode-perdurar-ate-fevereiro-de-2021
https://abraceel.com.br/clipping/2019/05/regiao-lidera-ocorrencias-de-falta-de-energia-por-colisoes/
https://sistemafaep.org.br/energia-eletrica-ainda-se-impoe-como-gargalo-no-campo/


Kommentare

mondin hat gesagt…
Kleine Erinnerung am Rand: was wurde Dilma Rousseff noch verspottet, als sie für die Windenergie geworben hat..

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