Zyklon tobt über uns



Wir haben noch nicht einmal allen Windwurf beseitigt. Dienstag und Mittwoch hat über uns ein Zyklon getobt. Jetzt ist schon wieder der nächste angesagt. Irgendwann diese Woche soll er die Bundesstaaten Santa Catarina und Paraná erreichen. Immerhin gibt es dieses Mal eine Vorwarnung. Beim letzten Mal war das nicht der Fall.

Am Dienstagnachmittag wurde es plötzlich stockdunkel. Katze Annamirl verzog sich ins Bad, kringelte sich zwischen Wand und Kloschüssel ein. Katzenkind Marylu war hingegen ganz begeistert, ist vor dem Haus den Blättern hinterher gejagt, die der Wind zum wilden Tanz in die Luft wirbelte. Die Hühner hatten sich da schon längst in ihr Häuschen zurückgezogen. Wir haben uns noch gewundert, warum sie so früh ihre schützende Schlafstatt aufsuchen, dann brach der Sturm auch schon über uns herein.

In Böen peitschte uns der sonderlich warme Wind um die Ohren. Immer wieder kündigten sich im Wald mit einem dunklen Surren neue Böen an, die Bäume, Palmen und Bambus gepackt und unaufhörlich von einer in die andere Richtung gebogen haben. Neben den von uns kurz zuvor zusammengerechten Blättern wirbelten Zweige und alte Palmblätter durch die Luft, als wären sie aus Watte.


Wir haben das Knacken der umfallenden Bäume und brechenden Äste im Wald gehört. Dann gab es einen Rumms. Hinter dem Haus ist ein Jaquatirão umgefallen, ein Baum, der zu Weihnachten wunderschön rosa-lila blüht. Jetzt ragt sein flaches Wurzelsystem samt Erdbrocken in die Luft. Zum Glück ist sein Stamm auf den nahe stehenden Bambus gefallen. Die Bambusstangen haben seinen Sturz abgefedert und verhindert, dass einer seiner schweren Äste mit voller Wucht auf unser Dach prallt. So hat er das Haus nur gestreift und kaum Schaden angerichtet.

Irgendwann sind wir ins dunkle Haus, haben Kerzen angezündet, Notlichter eingeschaltet und uns dem Essenkochen gewidmet. Draussen wütete der Sturm nun mit Donner und Regenpeitschen weiter.

Später in der Nacht kam ein Freund, um nachzusehen, ob bei uns alles o.k. ist. Er ist Ex-Feuerwehrmann und lebt mit seiner Familie in der Stadt Antonina. Die Stadt sei ein Chaos, sagte er. Häuser wurden abgedeckt, etliche Bäume entwurzelt, das Dach der Tankstelle flog durch die Luft und auch alles, was nicht ausreichend befestigt war.

Am nächsten Tag tobt der Sturm etwas abgeschwächt weiter. Über das ganze Ausmaß des "Ciclon bomba", wie er von Meteorologen genannt wurde, haben wir indes erst zwei Tage später erfahren, als wir endlich wieder Strom hatten. Über 750 Strommasten hat der Sturm allein im Bundesstaat Paraná umgeworfen. Eine Million Haushalte waren ohne Stromversorgung, 76.000 sind es immer noch. Wir erfahren ebenso, dass wir kurzfristig von der Umwelt abgeschnitten waren, weil dutzende umgefallene Bäume die Strassen blockiert haben.

Als das Internet zurückkommt, sehe ich mir Fotos und Videos über das erschreckende Ausmaß an. Wieder einmal haben wir in unserer Abgeschiedenheit nur wenig davon mitbekommen und erfahren erst Tage später, was passiert ist. Wieder einmal überlege ich, ob wir uns nicht ein Funkgerät anschaffen sollten, um in Notfällen mit der Welt in Verbindung treten zu können.

Noch stärker hat es den Bundesstaat Santa Catarina getroffen. Dort sind zehn Menschen ums Leben gekommen, hunderte haben ihre Bleibe verloren und der nächste Zyklon soll schon auf den Weg sein.

Wir sind vorerst noch mit den Aufräumarbeiten beschäftigt, die Lichtung vom Holzbruch, Zweigen und Palmblättern befreien, den großen umgefallenen Baum hinter dem Haus sicher zu entfernen.

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