Das neue Jahr beginnt mit blauem Himmel
![]() |
Jahresbeginn mit Zyklon und Gewitter. In kürzester Zeit stand alles unter Wasser, auch die Gummistiefel... |
Am ersten Tag des Jahres fällt der Strom aus. Hier im Regenwald und noch dazu im Sommer ist das beinahe täglich der Fall. In der Regel kommt er aber innerhalb kurzer Zeit wieder, der Strom. Wir warten Stunden, dann ist er wieder da.
Am zweiten Tag tobt ein wie aus dem Nichts kommender Zyklon, werden wir mal wieder von der Umwelt abgeschnitten.
Am Morgen öffne ich die Augen und schaue noch in einen strahlend blauen Himmel.
Die letzten Tage des vergangenen Jahres waren grau und nass gewesen und eigentlich zu kühl für die Jahreszeit. Wir haben schließlich Sommer. Jetzt scheint sie, die Sonne. Ich strecke mich ihr zum Dankeschön entgegen und freue mich auf den Tag.
Dann wird es heiß, sehr heiß. 36 Grad im Schatten. Dass sich dem ein Nachmittagsgewitter anschließt, damit ist zu rechnen.
Statt Gewitter gibt es ein Gewitter mit Zyklon, einen gewaltigen Sturm. Der durch den Wald sausende Wind biegt die Bäume gefährlich nahe Richtung Boden. Irgendwo kracht es und ich bete, dass der Baum vor dem Haus den Sturm standhält und uns beim Umfallen nicht das Dach bricht. Gleichzeitig laufe ich unter dem prasselnden Regen zum Zimmer. Ich habe es noch nicht geschafft, dort alle Fenster einzusetzen. Noch ist es ja eher ein Rohbau als ein Zimmer.
Die von mir geplante Belüftung des Zimmers funktioniert wunderbar. Der Wind rauscht auf der einen Seite rein und der anderen wieder hinaus. Dank des Gewitterzyklons ist die Belüftung ein wenig feucht. In wenigen Sekunden wird es nass im Zimmer, bilden sich rund um Handkreissäge, Flex, Schleifpapier und Bretter kleine Pfützen.
Das im Zimmer schon aufgestellte Bett entkommt dem durch die mit Fliegengitter versehenen, offenen Fenstern eindringenden Regen ebenso nicht. Mein Versuch, die auf dem Boden liegende Plastikfolie über Bett und Werkzeuge auszubreiten wird zum Tanz mit dem Wind. Die Böen blasen die Folie auf, ich werfe sie Richtung Bett, der Wind drückt sie zurück und das Ganze beginnt von vorne.
Der Regen hat mich und das Zimmer längst durchnässts, bis ich Tacker und andere Plastikfolien finde, um die Fenster dicht zu bekommen. Immerhin, ich schaffe es, bevor das Gewitter wieder aufhört.
Zurück im Haus geht es weiter. Es tropft an mehreren Stellen. Wir haben die dämlichen Ökodachplatten, die der tropischen Sonne und den hier so wasserreichen Regengüssen nicht gewachsen sind, immer noch nicht ausgewechselt. Wir bauen ja noch am Zimmer herum, das uns dann während des Dachwechsels am Haus als Unterschlupf dienen soll.
Hund Gloria hat sich hinter die Kloschüssel verzogen. Das tut sie immer, wenn es gewittert. Das Bad ist noch der trockenste Platz im Haus. In Schwiegermutters Zimmer tropft es aufs Bett. Ein Kingsize-Box-Bett, das bestimmt soviel wiegt wie ein Sack Zement mit 50 Kilo. Zentimeter für Zentimeter ziehe ich es von den Tropfquellen weg, Stelle Töpfe und Eimer auf, lege auf die schon nassen Stellen der Matratze Handtücher und breite vorsichtshalber ein Plastik darüber aus. Auch in der Wohnküche plätschert es munter in die eiligst aufgestellten Becher und Eimer.
Schwiegermutter sitzt im Rollstuhl am Tisch und schaut vor sich hin. Wahrscheinlich betet sie im Stillen. Donnert es, zuckt sie ein wenig. Sonst rührt sie sich nicht, sagt nichts, leidet sie stumm vor sich hin.
In der Stadt Antonina stehen Straßen und Plätze unter Wasser. Müllsäcke treiben gegen die Fahrtrichtung, Bromelien und Tillandsien, die an Bäumen und Stromleitungen wachsen, fliegen durch die Luft, umstürzende Bäume zertrümmern parkende Autos, Mauern fallen, Baugerüste und auch Dachplatten. Ganze Dächer reißt der Wind mit sich. Zum Glück wird niemand ernsthaft verletzt.
Eine halbe Stunde dauert der Spuk, dann zeigt sich das ganze Ausmaß, etliche umgefallene Bäume, Häuser ohne Dächer, herunterhängende, zerrissene Stromkabel. So schnell wie der Sturm angefangen hat, sind nun Feuerwehrleute und Freiwillige zur Stelle, versuchen mit Motorsägen und Handsägen die umgestürzten Bäume zu zerkleinern und die Straßen wieder benutzbar zu machen. Trupps vom Energiekonzern sind am Arbeiten, um wenigstens wieder eine Grundversorgung zu gewährleisten.
Der Strom kommt an dem Tag bald wieder. Das Internet nicht. Der Internetanbieter kommt nicht hinterher, alle durch den Sturm zerfetzten Glasfaserkabel auszuwechseln oder wieder anzuschließen.
Auch am dritten Jahrestag sind wir noch ohne Internet, ist ständig der Strom wieder weg.
Am vierten Jahrestag fällt der Strom bei uns total aus, wütet am Abend wieder ein Sturm.
Schwiegermutter döst im Bett, Alessandro auf dem Sofa, die aufgestellten Kerzen flackern vor sich hin und bieten nicht wirklich eine ausreichende Lichtquelle. Die wiederaufladbaren Lampen will ich noch nicht anmachen. Ich weiß nicht, wie lange wir ohne Strom sein werden. Ich will sie aufheben, damit wir wenigstens bei Licht kochen können. Draußen blitzt, donnert und regnet es immer noch. Drinnen tropft es jetzt, nach einer Stunde Sturmgetöse, weniger, der Wind hat nachgelassen. Der Strom ist immer noch nicht da.
Sorgen mach ich mir um meine Ma. Sie hat mit Sicherheit schon etliche Male erfolglos versucht, mich zu erreichen. Ich hoffe, sie hält durch, bis wir wieder an die Umwelt angeschlossen sind und ich ihr ein Lebenszeichen schicken kann.
Sobald wir wieder Strom haben, werde ich mich noch einmal über Solarstrom informieren. Die Painels sind mittlerweile erschwinglich geworden. Teuer sind noch Batterien und der Inversor, der uns den Solarstrom in Hausstrom umwandelt. Aber ich glaube, an der Investition kommen wir nicht mehr vorbei. Die öffentliche Stromversorgung ist bei uns hier auf dem Land, im Wald, einfach zu ungewiss und ich will nicht mehr so lange und so oft unkommunizierbar sein. Der Reparaturtrupp vom Internetanbieter hat schließlich schon heute Nachmittag die Verbindung wieder hergestellt. Was jetzt fehlt, ist der Strom.
![]() |
Wir hatten noch Glück. Nur der Aroeira-Baum, der Rosa-Pfeffer-Baum, der hat unter dem Sturm gelitten und ein paar Zweige verloren, die vom Wind unter das Vordach gedrückt wurden. |
Kommentare
Zyklone? Gibt's die öfter?? In Cascavel hatten wir 2 oder 3
in den 13 Jahren..LG zurück vom Vetzberg🙋🏻♀️🥰