Das Coronavirus ist im Regenwald angekommen

So, nun ist es also auch mitten im Regenwald angekommen, das Coronavirus. Die Nachbarn haben es aus der Stadt hierher mitgebracht.

Wenn ich Nachbarn sage, dürft ihr euch das nicht so vorstellen, wie in der Stadt. Die meisten unserer "tatsächlichen" Nachbarn sind ein Kilometer oder weiter entfernt. Dann gibt es da noch die "Wochenendnachbarn". Sie fröhnen die russische Datschapraktik, leben in der Großraumregion von Curitiba und haben sich ein Fleckcken im Grünen gekauft, wo sie Wochenenden und Ferien verbringen. Zwei Wochenendnachbarn haben 50 und 150 Meter weiter von uns ein Häuschen. Sie haben beschlossen, der Corona-Gefahr in der Stadt zu entfliehen und sich in ihren Sítio-Datschas eingenistet.

Eine der Wochendnachbarn kam schon mit dem Coronavirus im Gepäck. Weil es ihr schlechtt ging, hat sie ihr Mann am 11. Mai ins Krankenhaus gebracht. Da hieß es: "Coronavirusverdacht". Ein Test wurde nicht gleich gemacht. Der war erst für eine Woche später anberaumt worden. Die Ärzte haben sie mit dem Hinweis heimgeschickt, sich in freiwillige Isolation zu begeben und zu Hause zu bleiben. Sollte sich ihr Zustand dramatisch verändern, sollte sie wieder ins Krankenhaus kommen.

Erst einmal hat sie daraufhin privat einen Schnelltest gemacht. Der fiel negativ aus. Mit Kopf- und Körperschmerzen, Fieber, Husten, laufender Nase, Geschmacksproblemen und Schwäche hat sie dann eine Woche auf die Durchführung des PCR-Testes gewartet. Nachdem Abstriche aus Mund und Nase genommen waren, kamen sie und ihr Mann das Gebirge herunter zu ihrem Wochenendhäuschen, das 150 Meter von uns entfernt steht.

Sie blieb im Haus und auf Distanz, aber mit ihrem Mann hatten wir Kontakt. Er hatte uns bei einem seiner Stadtausflüge Brot mitgebracht. Also, hatten auch wir uns vorsichtshalber zwei Wochen in freiwillige Isolation begeben.

Bis das Ergebnis des Gen-Testes vorlag, vergingen noch einmal zehn Tage. Dann gab es die Bestätigung: Covid-19. Ihr Mann, ihre Tochter und sonstige Kontaktpersonen wurden nicht getestet. Das sei nicht nötig hieß es lapidar.

Am Montag beschloss dann aber die Firma, in der ihr Mann arbeitet, alle Mitarbeiter zu testen. Und siehe da, ihr Mann wurde ebenso positiv getestet und erst einmal zwei Wochen in Quarantäne geschickt. Die verbringen die beiden wieder hier in unserer Nachbarschaft. Dieses Mal verlassen beide ihr Wochenendhäuschen nicht. Wir unterhalten uns über Whatsapp. Hin und wieder hänge ich Guacoblätter an ihr Tor oder Semmeln, die uns jemand aus der Stadt mitbringt. Guaco ist eine Kletterplfanze, aus deren Blättern ein sehr wirksamer Tee gegen Husten gemacht werden kann.

Unsere Nachbarn sind natürlich nicht die Einzigen, die aus Curitiba nach Antonina kommen. Eigentlich war ja eine sanitäre Barriere eingerichtet worden. Nachts, wenn die Kontrolleure schlafen, nutzen das aber etliche Städter, um unbemerkt hindurch zu schlüpfen. Bußgelder gibt es keine.

Die ersten bestätigten Coronafälle Antoninas gehen auf einen Arzt zurück, der ebenso aus Curitiba kam, um im Krankenhaus Antoninas zu arbeiten. Als er erste Symptome spürte, wurde er sofort suspendiert und wurde sämtliches Krankenpflegepersonal getestet. Das Ergebnis war eine kleine Lawine von Covid-Fällen unter Krankenschwestern und ihren Angehörigen. Es wurde schnell reagiert, das Krankenhaus vorerst geschlossen, alle Angehörigen in Quarantäne geschickt, die Stadt "hygienisiert".

Aber Corona ist schneller. Inzwischen sind nach offiziellen Daten 53 Coronavirus-Fälle und ein Todesopfer im Städtchen Antonina bestätigt. Allein in der vergangenen Woche sind über 20 Neu-Infektionen hinzu gekommen.

Theoretisch müssen die nächsten zwei Wochen die Geschäfte geschlossen bleiben, außer die essentiellen wie Supermärkte, Apotheken und Bäckereien. Kontrollen gibt es dazu nicht und auch Bußgelder gibt es nicht, weil noch darüber gestritten wird, wer denn jetzt für die Kontrollen zuständig ist, Bundesstaat oder Munizip.

Diese halbherzige Quarantänepolitik läuft nun schon seit Monaten, mit dem Ergebnis, dass die Covid-Zahlen weiter steigen. Ein Großteil der Bevölkerung hält sich nicht an die Isolierungsregeln. Der Präsident des Landes schürt dies mit seinen verantwortungslosen Auftritten und Aussagen noch an. Auch er wurde jüngst positiv getestet. Das hinderte ihn nicht daran, ein Interview zu geben, um zu beweisen, dass es ihm gut geht und dass das "Gripplein" ihm nichts anhaben kann. Zum Schluss des Interviews zog er sogar noch den Mundschutz herunter, als wäre das Virus überhaupt kein Problem. Nur die Älteren, die sollten sich schützen, für die Jüngeren gebe es nahezu kein Risiko, sagte er. Leider gibt es Viele, die ihm glauben.

So dreht sich die Spirale weiter, wird es auch weiterhin volle Krankenhäuser und Leichenhallen geben. Was sich ändert sind die Regionen. Jetzt ist nicht mehr der Norden das Corona-Sorgenkind, sondern sind es der zentrale Westen und der Süden, da wo wir leben.

Und wir? Wir werden uns vorerst weiter einigeln und auf unser Paradies konzentrieren. Manchmal komme ich mir dabei schon wie Robison Crusoe auf seiner einsamen Insel vor. Nein, ich plaudere nicht mit Ball "Wilson". Unser Wilson ist das WhatsApp. So können wir wenigstens mit der Welt da draussen ein wenig plaudern.

Kommentare

mondin hat gesagt…
Ach Du Sch....!!
Ja, meine Shwägerin in Cascavel hat auch schon wochenlang Luftnot, Husten. Erst fanden sie einen Test nicht nötig, es sei eine "akute allergische Krise". Als es nicht besser wurde, wurde sie dann doch noch durchgecheckt: Lungenembolie. Ich faß' es nicht! Ich will garnicht wissen, wieviele der Coronatests falsch negativ sind....bekommt Ihr wenigstens Briefpost bzw. kannst Fu sie ab und an abholen?
Guaco ist wirklich sehr gut gg. Husten!
Da wünsch ich Euch gute Widerstandskräfte und Toitoitoi!!!
Und ich dachte, der Gipfel sei so langsam erreicht :(
Alles Liebe, Ursel
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
ja, bei der Mutter der Nachbarin war es ähnlich. Wochenlang Fieber, Husten, Mattigkeit, Atembeschwerden und kein Geschmack. Die Diagnose: Blasenentzündung! Frag ich, ob sie auf Covid getestet wurde. Antwort: nein, es wurde ihr nur empfohlen, das Rauchen aufzuhören. Ach und der Fleck in den Lungen käm auch vom Rauchen. Nach Wochen gab es einen negativen Schnelltest. Irgendwann blieb ihr die Luft fast ganz weg. Krankenhaus, ans Beatmungsgerät. Kurz später wurde sie wieder entlassen - im Wachkoma! Sie hätte ein AVC gehabt, hiess es und es sei nichts mehr zu machen. Sie wurde zum Sterben nach Hause geschickt. Da starb sie nach zwei Wochen im Kreise der Familie. Es gab ein Velório und auf der Sterbeurkunde stand "Tod wegen Atemproblemen". Eine Woche später kam ein Anruf, der letzte Covidtest sei positiv gewesen.... So viel Schlamperei grenzt an ein Verbrechen und kaum einer schreit auf...
Geht es deiner Schwägerin wieder besser?
Ja, Briefpost kommt durch... alle 2 Wochen sehe ich nach...
Ganz liebe Grüsse

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