Zahnärztliche Notfallbehandlung in Coronazeiten

Seid ihr während der Coronazeit schon beim Zahnarzt gewesen?

Ich war es.
Am Sonntag.
Notfallbehandlung.

Die hat irgendwie in einer anderen Galaxis stattgefunden. Von außen sah es aus, wie eine ganz normale Praxis. Das änderte sich nach dem Überschreiten der Türschwelle.

Aus dem hinteren Bereich des Raumes forderte mich eine Stimme auf, erstmal meine Hände zu waschen. Dann rauschte eine Frau, von der nichts außer Schutzkleidung und hinter einer Brille steckenden Augen zu sehen war, Richtung Eingangstür, um sie abzuschließen. Mehr als einer darf nicht rein, wegen Corona, erklärte sie mir. Sie, die Zahnärztin, die einzige, die sich in Antonina und der Nachbarstadt Morretes für eine Behandlung am Wochenende bereit erklärt hat.

Mein Drama hat am Samstag mit Höllenschmerzen angefangen. Einen besseren Zeitpunkt hätte es gar nicht geben können. Samstag und Corona. Dürfen Zahnärzte jetzt überhaupt arbeiten?

Alessandro telefonierte sämtliche im Internet aufgestöberte Nummern von Zahnärzten durch, die in Antonina oder der Morretes eine Praxis haben. Bei manchen ging sogar einer ran, aber keiner wollte Dienst haben. Nur eine, die sagte, sie mache das. Das Problem war, dass sie sich zu dem Zeitpunkt noch in der Stadt Curitiba befunden hat, etwa 120 Kilometer und 1,5 Fahrtstunden von uns weg. Bis sie das Küstengebirge herunterkam, war es schon dunkel. In Antonina wurde wegen der Coronaviruskrise aber ein "Toque de recolher" verhängt, nächtliche Ausgangssperre. Unser Taxifahrer wollte deshalb kein Risiko eingehen. Also wurde es Sonntag, bis ich endlich das Praxisraumschiff zur Zahnbehandlung betreten konnte.

Da stand ich in dem Raum, der eigentlich wie eine Zahnarztpraxis aussah wäre da nicht die Ärztin im Raumanzug gewesen, die bemüht war, Abstand zu mir zu halten. Mund und Nase bedeckte ein blauer Mundschutz, über dem noch ein weißer Mundschutz hing. Darüber waren Schutzbrille und Haube. Ihr weißer Kittel war unter einem blauen Einwegschutzkittel verborgen. Coronasicher, wie sie sagte. Nichts war von dem Mensch zu erkennen, der sie sein musste.

Weißer Darth Vader

Dass sie freundlich war, half auch nicht viel, die vorherrschende außerirdische Stimmung zu verbessern. Dann reichten mir Latexhände einen kleinen Plastikbecher mit Wasserstoffperoxid. Das sollte ich gurgeln. Auf meine Frage, warum, erklärt sie mir, dass sie sich streng an die von der WHO empfohlenen Regeln hält. eine davon sei das Gurgeln von Wasserstoffperoxid, um die virale Fracht im Mundraum zu verringern. Die WHO befindet sich für mich zu dem Zeitpunkt gerade in einer anderen Galaxis.

Bevor sich dem Inneren meines Mundes widmet, stülpt sie sich noch einen Plastikschutz vor das Gesicht. Fehlen nur Umhang und Stab und sie würde einen perfekten Darth Vader aus Star Wars abgeben, nur statt schwarz eben in weiß.

Da sitze ich, der Speichelabsauger im Mundwinkel und in meinem Kopf Gedanken vom Anhalter durch die Galaxis, der auf einen weißen Darth Vader trifft und im Raumschiff der Vogonen festhängt. So abgelenkt war ich noch nie bei einem Zahnarzt. Es kommen aber auch Fragen auf. Wie müssen sich die Covid-19-Patienten im Krankenhaus fühlen, die nur von solchen Menschen in Schutzanzügen umgeben sind? Gäbe es nicht andere Lösungen?

Wenig später hat die Zahnärztin den Kanal freigelegt, irgendeine Medizin hineingeträufelt und das Ganze mit einer Wattekugel abgesichert. Jetzt muss ich erst einmal drei Tage Antibiotika und Entzündungshemmer schlucken. Dann wird sie weitersehen.

Kurz vor dem Verlassen der Praxis, sagt sie noch an der offenen Tür stehend, dass sie mich wegen Corona nun nicht umarmen werde. Ich bin noch nie in meinem Leben von einem Zahnarzt, einer Zahnärztin umarmt worden und schon gar nicht von einer Zahnärztin, die als Darth Vader völlig inkognito ist. Ich werfe ihr nur eine "Habe-die-Ehre-Hand" zu und antworte vorsichtshalber nichts weiter.

Vor der Tür lande ich wieder in meiner Galaxis. Die Sonne scheint. Die Stadt liegt abgesehen von ein paar Touristen aus Curitiba, die die Quarantäne als freie Zeit für Ausflüge ansehen, still da. Dann geht es heim in meinen Regenwald, in die ganz normale Welt und mir fällt ein Stein vom Herz.

Kommentare

mondin hat gesagt…
Uff, na gut, daß Du ne Zahnärztin gefunden hast! Sie muß sich schon schützen und andere auch. Die Leute, die momentan in den OP kommen und bei denen wir uns je nach OP-Gebiet auch so vollvermummen müssen, sind eigentlich durch die Bank einfach froh, behandelt werden zu können..
Und für die Vermummten ist es ja auch anstrengend ;) Diese FFP2-Masken und Schutzbrillen machen ganz schön Kopfschmerzen.. LG Ursel
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Ich weiß, es ist für keinen angenehm, egal auf welcher Seite. Eine solche Verwandlung habe ich nur nicht erwartet und es ist seltsam, den Menschen, der dich behandelt, nicht zu sehen. Logisch verstehe ich aber, dass sich Ärzte und Pflegepersonal schützen müssen, was ja wiederum wieder uns zugute kommt. Trotzdem: Hoffentlich ist der Spuk bald vorbei.

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