Wir und der Coronavirus

Wie ist das bei euch mit dem Coronavirus?

Ich denke mal, so ähnlich wie bei euch. Aber lasst mich euch erst einmal einen allgemeinen Überblick über die Zahlen geben, bevor ich euch erzähle, wie sich das Virus auf unser Leben auswirkt.

Der erste Covid-19-Fall Brasiliens wurde am 26. Februar vermeldet. Einen Monat später heißt es, dass Brasilien noch am Anfang der Krise steht.

Am Dienstag (31. März) wurde die Zahl der in Brasilien mit dem Coronavirus Infizierten mit 5.717 angegeben. 201 Menschen sind in den knapp fünf Wochen seit dem ersten Coronafall an den Folgen von Covid-19 gestorben. Der Schwerpunkt der Infizierten liegt mit 2.339 Fällen und 136 Toten in São Paulo. Das wird von Rio de Janeiro mit 708 Covid-19-Fällen und 23 Toten gefolgt.

Im Bundesstaat Paraná, zu dem unser Munizip Antonina gehört sind bisher 179 Menschen Covid-19 positiv getestet worden und drei Menschen gestorben. In unserer Küstenregion gibt es offiziell noch keinen Fall.

Die Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Noch werden in Brasilien hauptsächlich Krankenhauspatienten mit Covid-19-Verdacht getestet und Patienten, die Covid-19-Symptome hatten und verstorben sind. Wer nur leichte Symptome hat, dem wird empfohlen gar nicht erst den Arzt oder den Gesundheitsposten aufzusuchen, sondern zu Hause zu bleiben und sich zu isolieren. Die tatsächliche Situation kann deshalb ganz anders ausehen, als die Statistiken vermuten lassen.

Ausgehbeschränkungen

In vielen Städten und Bundesstaaten gibt es Ausgangsbeschränkungen, sind Geschäfte geschlossen, ist der öffentliche Nahverkehr reduziert oder ganz eingestellt worden. Beispiele dafür sind São Paulo und Rio de Janeiro.

Bei uns in Antonina gibt es theoretisch keine Einschränkungen. Aber es gibt eine Art Krisenstab mit Bürgermeister, Stadträten und Vertretern der Geschäftsvereinigungen und der Nichtregierungsorganisationen, für den Fall, dass ein Fall eintritt.

Dennoch folgen viele der Geschäftsinhaber und auch der Großteil der Bevölkerung den Empfehlungen des brasilianischen Gesundheitsministeriums. Das ruft, anders als der Präsident des Landes, zur sozialen Distanzierung auf, also zum Zuhausebleiben.

Viele Geschäfte Antoninas sind deshalb auch geschlossen. An den Türen der Banken, Post und Lottostelle hängen Schilder mit dem Hinweis, dass ein Mindestabstand zu anderen eingehalten werden soll. Auch ein Maximum an Kunden wird vorgegeben. In den noch offenen Geschäften steht Gelalkohol zur Desinfizierung der Hände an den Kassen.

Das war zumindest vergangene Woche noch so. Da bin ich mit Freundin Marcia zum Einkaufen in die Stadt gefahren. Ich weiß gar nicht, ob noch Busse fahren. Selbst wenn sie das tun, würde ich derzeit keinen nehmen. Bei uns auf dem Land sind die Busse stets überfüllt, pressen wir uns in Normalzeiten mit Tuchfühlung in die nur spärlich fahrenden Klapperbusse. Mit social distancing ist da nichts drin.

Unsere Distanz schaffen wir mit "Caronas", Mitfahrten mit Freunden, die in der Nähe wohnen. Das kommt aber ohnehin nur einmal in der Woche oder noch seltener vor. Auch vor Corona haben wir nur einmal in der Woche unser Paradies im Wald verlassen, um Einkäufe zu erledigen. Viel ändert sich, außer dem Busverzicht, für uns vorerst also nicht.

Kein Alkohol für Hände

Was hingegen schon zu spüren ist, ist der Run auf Desinfektionsmittel. Vergangene Woche gab es keinen Gelalkohol mehr, und es wird so schnell auch keinen mehr geben. In einer Farmácia (Drogerie) hat mir der Pharmazeut erklärt, dass schon länger keiner mehr nach Antonina geliefert wurde.

Das kleine Städtchen liegt abseits von den Zentren, am Ende eines Fjordes. Wer nach Antonina will, muss einen Abstecher machen. Die Desinfektionsmittel sind indes in ganz Brasilien knapp geworden. Das hat dazu geführt, dass Bier- und Erfrischungsgetränkehersteller und Kosmetikfirmen angekündigt haben, Gelalkohol herzustellen. Den wollen sie aber nicht an Antonina liefern, sondern an Krankenhäuser und Bedürftige spenden. Ich denke auch, dass nicht kleine, abgelegene Städtchen, sondern Großstädte derzeit Vorrang bei der Belieferung mit diesen Mitteln haben - was ja auch Sinn macht.

Klopapierberge

Klopapier gibt es hingegen im Überschwang. Ich weiß gar nicht, wie und warum das Klopapiersyndrom angefangen hat. Plötzlich hieß es, dass in Rio de Janeiro in einigen Supermärkten das Regal mit dem Klopapier leer ist. Ich erzähle es meiner Mam und die schickt mir einen Witz: "Wenn einer hustet, scheißen sich zehn in die Hosen."

In Antonina sind die Supermarktregale mit Klopapier hingegen bestens bestückt. Es gibt sogar Sonderangebote. Wahrscheinlich hatten die Supermarktbetreiber auch von Rio de Janeiro gehört und gleichmal vorgesorgt. Jetzt sitzen sie auf ihrem Klopapier.

Wenn ich Supermarkt sage, dürft ihr euch darunter nicht die großen Supermärkte Deutschlands vorstellen. Es sind kleinere Märkte in Familienbesitz, sehr übersichtlich, aber mit allem Notwendigen ausgestattet.

Mangels Gelalkohol versuche ich, mir bei meinen Supermarktbesuchen jetzt nicht mehr ins Gesicht zu greifen und möglichst wenig anzufassen. Letzteres ist gar nicht so leicht. Da stehe ich im Supermarkt und will wie immer die Inhaltsangaben lesen und denke mir, nö das machst du jetzt nicht. Dann vergesse ich es wieder und mache es doch. Aber Freundin Marcia und ich haben uns mit Feuchttüchern ausgestattet. Die haben zwar nur einen geringen Alkoholgehalt, sollen aber Bakterien vernichten und Schmutz entfernen. Wenn Spüli das Virus ausser Kraft setzt, wird es das Putztuch wohl auch tun, hoffen wir.

Feuchttuchritual

Also haben wir ein Feuchttuchritual entwickelt. Ware an Kasse bezahlt, Feuchttuch gezückt, Hände abgewischt. Einkauf in Auto verstaut, Feuchttuch gezückt, Hände abgewischt. Eingestiegen ins Auto, Feuchttuch gezückt, Hände abgewischt und dann erst einmal kräftig über uns selbst gelacht. Wir fühlen uns gut, haben versucht, uns an alle Regeln zu halten und haben wahrscheinlich für ein paar Minuten die saubersten Hände überhaupt.

Das war vergangene Woche. Morgen werde ich mit Nachbarin Eliane in den kleinen, nur vier Kilometer entfernten Markt fahren. Das Gemüse ist am Ausgehen, das Spüli auch und ich will Cachaça besorgen, um Likör mit den jetzt reifen Kaffeefrüchten und schwarzen Pitangas zu machen.

Gas zum Kochen, Futter für unsere Tiere und Baumaterial lassen wir uns liefern. Da genügt ein Anruf. Bezahlt wird nach der Lieferung. Das haben wir auch vor Corona so gehalten.

Für heute genug. In den nächsten Tagen erzähle ich euch mehr.

Lasst euch nicht unterkriegen und denkt daran: Wir schaffen auch das.

Kommentare

mondin hat gesagt…
Hallo Gabriela, meine Schwiegereltern in Cascavel haben richtig Angst, in denke diese Angst rührt in Brasilien halt leider auch vom Mangel an sachlichen Informationen her. Und natürlich, daß der eine "Hü" und der andere "Hott" sagt. Hoffen wir das Beste! Vor allem, daß Ihr bei Euch unbehelligt bleibt. Das mit den Feuchttüchern ist gut! Bleibt gesund und munter! LG Ursel
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Liebe Ursel, du hast es auf den Kopf getroffen. Das Hü und Hott ist ein großes Problem. Ein Präsident, der vom Grippchen spricht, dass ihm nichts anhaben kann und andere, die am liebsten gleich alles schließen wollen (was bis jetzt aber noch nicht passiert ist!). Ich denke, der Weg liegt wie immer in der Mitte, sich soweit möglich schützen, Hygiene, sich auf wenige Stadtgänge verlegen etc. und trotzdem leben, in den Garten gehen, auf den Balkon, in die Sonne blinzeln, Abwehr stärken usw. Aber das weisst du ja besser als ich. Kann mir vorstellen, dass sich dein João um seine Eltern sorgt. Mir geht es mit meinen auch so. Die Entfernernung nagt an den Nerven...
Habt ihr in eurem Krankenhaus auch Covid-Patienten? Pass auf dich auf und bleib auch du gesund und munter! Ganz liebe Grüsse Gabriela
Anonym hat gesagt…
Hallo Liebe Gabriela, die Familie und Freunde sind alle noch Gesund und bei uns hier scheint es ganz genau so wie bei euch zu sein, mit der Ausnahme, es gibt u.a. keine Nudeln und Klopapier mehr zu kaufen. Dafür gibt es jetzt aber viele schmackhafte Rezepte im Internet, wie man gesunde Nudeln mit Klopapier zubereitet. Passt gut auf euch auf, ganz liebe Grüße Paul
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Hallo Paul,
Klopapiernudeln sind auch nicht schlecht ;) ganz liebe Grüsse auch an dich!
mondin hat gesagt…
Liebe Gabriela,
ja, wir haben ca. 20 Patienten, aber nicht alle beatmungspflichtig. Ich war sehr erleichtert, als ich erfuhr, daß wir mittlerweile auf über 100 Intensivbetten aufgestockt haben. Ich wage garnicht zu hoffen, daß wir sie vielleicht nicht alle brauchen...unsre Arbeit im OP stagniert jedenfalls momentan und auch die Bereitschaftsdienste sind unwirklich ruhig...Zeit zum Lesen, Danken, Garten...
Ganz liebe Grüße
Ursel

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