Die Mondphasen des Phylodendron und der Besen Hans

Besen aus Cipó des Philodendron ssp.
Frage ich jemanden nach den Mondphasen, kommt immer die gleiche Antwort: bei abnehmenden Mond. Bei abnehmenden Mond wird gewaschen, werden Haare geschnitten, wird gepflanzt und wird der Bambus geschnitten. Nur der Cipó, der soll bei Vollmond geerntet werden.

João Vassoura lacht erst einmal, als ich ihn darauf anspreche. Dann schiebt er seinen Helm etwas höher und zeigt auf den Wald. Bei Vollmond sei der Tag halt etwas länger, weil er nachts für mehr Licht sorge, sagt er, schaut schelmisch und macht dann mit der Hand eine wegwischende Bewegung. "Alles Schmarrn", so João Vassoura. Völlig egal, ob abnehmender, zunehmender Mond, ob Voll- oder Neumond, die Technik, der Krafteinsatz und das Ergebnis seien immer das Gleiche verrät er.

Den ganzen Namen von João kenne ich nicht. Wir nennen ihn João Vassoura. Auf bayerisch wäre das der "Besen Hans". Den Besen hat er von uns als Nachnamen bekommen, weil er eben Besen macht. Einen solchen streckt er mir entgegen. Ich hatte ihn vor zwei Wochen in Auftrag gegeben und João hat den heutigen Tag zum Liefertag auserkoren.

Zweimal hat er gehupt und ich bin zum Waldweg hinauf gelaufen. Da sitzt er auf seinem knallroten Motorrad, nimmt das Geld für den Besen entgegen und steht mir Rede und Antwort.

Mit meiner Frage nach den sieben Drehungen nach links und sieben Drehungen nach rechts bringe ich den hageren, vom Wetter gegerbten Besen Hans noch mehr zum Lachen. Irgendwer hat mal erzählt, dass sich der Cipó erst dann löst, wenn der vom Baum herab hängende Cipó entsprechend dieses Sieben-Musters geschwungen und dann ruckartig an ihm gerissen wird.

"Dem Cipó ist es völlig egal, ob du sieben oder acht Schwingdrehungen machst oder 13. Der kann ja sowieso nicht zählen", lautet Joãos Antwort. "Was die Leute alles erzählen", sagt er noch und erklärt dann, wie er es macht, wie er es gelernt hat und auf was er achtet.

"Nehme nie einen Cipó, der schon den Boden berüht. Das ist ein Muttercipó. Der hat Wurzeln oder wird welche entwickeln. Die braucht der Cipó, um hoch droben auf dem Baum weiter zu wachsen. Klaust du ihm diese, schwächst du ihn oder bringst ihn ganz um", erklärt er in seinem Barriton, begleitet von in der Luft tanzenden Gesten seiner Hände.

João hat seine Stammpflanzen. Früh morgens, im Sommer manchmal schon um fünf Uhr, düst er mit seinem Motorrad bei uns vorbei, fährt etwa 2 Kilometer weiter in den Wald hinein und macht sich dann zu Fuß auf den Weg. Auch der Morgenzeit zur Cipó-Ernte liegt kein Mysterium zu Grunde. Er wählt diese Tageszeit, weil es dann noch nicht so heiß ist und ihm danach noch der restliche Tag für andere Arbeiten bleibt.

Manchmal schweift er Stunden und etliche Kilometer durch den Wald, um dann mit dem zu einem Bündel gewickelten Cipó zurückzukehren. Zu Hause schält er ihn, schneidet ihn in Stücke, legt ihn in Wasser ein und und verflechtet sie zu Besen.

Die sind wunderbar, um die Veranda oder vor dem Haus zu kehren. Manche benutzen die Cipó-Besen auch, um Laub zu kehren.

Ihr fragt jetzt, was das denn ist, das Cipó.

Cipó-Imbê, wie die Einheimischen sie nennen, sind die Luftwurzeln des Philodendron. Das ist eine Aufsitzerpflanze, die ihr kennt. In Europa steht sie in Blumentöpfen in Ecken, auf Tischchen oder hängt in Blumenampeln in vielen Wohnzimmern und Büros.

Bei euch ist sie eine beliebte Zimmerpflanze, die gut Schatten verträgt. Bei uns ist sie eine Aufsitzerpflanze, die hoch oben auf den Bäumen wächst.  Ihre Wurzeln hängen wie Seile oder Lianen zur Erde hinunter. João macht aus ihnen seine Besen. Es gibt aber auch Artesãs (Kunsthandwerker), die aus ihnen Körbe, Fächer, Lampen und alles mögliche andere herstellen.

In den tropischen und subtropischen Wäldern gibt es weltweit weit über 400 Arten von Philodendron Schott. In Brasilien sind bisher 168 katagolisiert worden. 79 von ihnen kommen ausschließlich in Brasilien vor.

Aber jetzt genug. Ich will meinen neuen Besen ausprobieren.

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