Watschn für Stadträte

Die Wahl ist immer noch Gesprächsthema Nummer Eins. In einigen Städten Brasiliens gibt es eine Stichwahl unter jeweils zwei Bürgermeisterkandidaten. In Antonina wird ab Januar ein Zahnarzt das Regent führen. Gesprächsthema ist aber mehr der Ausgang der Stadtratswahl. Von den elf bisherigen Stadträten hat es nur ein einziger geschafft, wieder gewählt zu werden. Alle anderen haben eine Watschn erhalten.

Irgendwie hatten die Antoninensen die Schnauze voll von der alten Riege, die sich seit Jahren immer wieder hat wählen lassen, deren Väter, Brüder und Onkel auch schon Stadtrat waren. Absprachen hat es vorher keine gegeben. Keine Debatten, nix war bekannt geworden. Instinktiv haben einfach alle kollektiv anders gewählt als sonst. Selbst diejenigen, die eigentlich als beliebt und ehrlich galten, hat es erwischt, sind dieses Mal außen vor geblieben.

Erstmals sind gleich zwei Frauen in der "Câmara de Vereadores" Antoninas. Ein Novum in der von Männern dominierten Kommunalpolitik.

Eine von ihnen hat mit knapp 500 Stimmen die höchste Stimmenzahl erreicht. Ihr Mann war ein paar Wahlperioden hintereinander schon Stadtrat gewesen. Seine Beliebtheit hatte er allerdings seiner Frau zu verdanken, die sich seit Jahren erfolgreich für eine Vereinigung der Landbewohner einsetzt und dafür, dass die Landmenschen in Paranaguá und Curitiba medizinisch versorgt werden. Einige werfen ihr vor, dass sie Nachbarn, Bekannte und Freunde in die beiden Städte fährt. Sie sehen das als Korruption an, weil sie sich damit beliebt macht und Stimmen sichert. Ob sie aus Nächstenliebe handelt oder nicht, weiß ich nicht. In die eigene Tasche greifen musste sie für die Fahrten bisher jedenfalls nicht. Die konnten vielmehr als Tagesreisen über das Vereadorsamt ihres Mannes abgerechnet werden.

Andererseits ist es gerade für die Landbevölkerung schwer, in die Städte zu gelangen. Es sind umständliche Tagesreisen, die mit dem Bus teuer sind. Überhaupt einen Untersuchungstermin in den großen Krankenhäusern Curitibas zu erhalten ist nicht einfach. Ohne die Hilfe der neugewählten Stadträtin, müssen die Bewohner der kleinen Landsiedlungen zuerst ein Attest vom Arzt holen, der einmal in der Woche zum Gesundheitsposten kommt, wenn er denn kommt. Mit dem Attest müssen sie nach Antonina fahren und zur nachtschlafenen Zeit Schlange stehen, nur um einen Untersuchungstermin auszumachen. Der kann oft in weiter Ferne liegen und erst Monate oder ein Jahr später gewährt werden, weil die Listen meistens elends voll sind. Wer das Wohlwollen der neuen Stadträtin hat, kann schneller mit einem Termin rechnen, muss dazu nicht nach Antonina fahren und erhält auch noch eine Mitfahrtgelegenheit mit irgendenjemanden. Wer für sie gestimmt hat, weiß, er kann auf ihre Hilfe zählen. Wer sich nicht diesem System der Hilfe einlassen will, muss warten.

Ob sich daran mit einem Zahnarzt als Bürgermeister etwas ändern wird, ist fraglich. Die Strukturen sind festgefahren und die Landbevölkerung ist schnell vergessen. Immerhin hat die ungewöhnliche Wahl aber gezeigt, dass die Antoninensen Veränderungen wollen. Das ist ja auch schon ein Anfang.

Kommentare

kvinna hat gesagt…
Jaja, auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt und so ... dass Frauen "auftauchen" ist doch schon mal bemerkenswert! Feuchter Gruß aus dem mitteleuropäischen Herbst!
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Da bin ich ganz deiner Meinung. Bin ja gespannt, wie die "Neuen" sich machen werden... lieben Gruß aus dem ebenso feuchten brasilianischen Frühling...

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