Streik gegen Schere von Arm und Reich

Da stehe ich an der Bushaltestelle und warte und warte und warte. Wer nicht kommt, ist der Bus. Logo, Busfahrer und Cobradores (Busschaffner) streiken. Das habe ich schon vor ein paar Tagen im Face gelesen. Dass sie aber ausgerechnet die Landlinie bestreiken, hätte ich nicht gedacht. Die Grundversorgung sollte aufrecht erhalten bleiben, hat es geheißen. Was sich dahinter verbirgt, ist allerdings ein Geheimnis.

Die 40 Kilometer von der Stadt bis zum abgelegenen Dorf Bairro Alto scheinen nicht dazu zu gehören. Vielleicht liegt es auch daran, weil die Landbevölkerung weniger aufmupft, als es die Stadtmenschen tun. Sie werden ohnehin nur mit fünf Bussen täglich versorgt, in denen wir uns wie Sardinen quetschen, um in die Stadt und wieder nach Hause zu kommen.

Und jetzt? Aus dem Zwiebelkorb gähnt mir eine Leere entgegen. Die Zahnpastatube habe ich schon aufgeschnitten, um die letzten Restchen rauszustreichen. Ich muss in die Stadt und es kommt kein Bus.

Was gäbe ich jetzt für mein Bambusfahrrad, das bisher nur in meinem Kopf existiert. Mir fehlt die Zeit, es zu bauen und auch ein wenig das nötige Know-How.

Hoffentlich hören sie bald auf zu streiken. Verstehen tue ich sie ja. Da kommt die Nachricht, dass die Mitarbeiter der öffentlichen Justizbehörden mehr Lohn erhalten sollen. Ihre Gehälter sind mal eben um 25 Prozent erhöht worden. Damit verdienen die Richter statt der bisherigen 31.000 Reais jetzt 39.000 Reais. Das entspricht 44 Mindestlöhnen, während ein Cobrador mit etwas mehr als einem Mindestlohn auskommen muss.

Ob sie aber mehr als drei oder vier Prozent Lohnerhöhung erhalten werden ist fraglich. Die paar Prozent würden nicht einmal den Verlust durch die bei über 10 Prozent liegende Inflation abdecken. Das Problem ist, das Munizip (die Gemeinde mit der Größe eines Landkreises) hat kein Geld und wird künftig noch weniger haben, weil sie jetzt ihren Richtern mehr bezahlen muss.

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass Richter zusätzlich zu ihrem Gehalt eine Mietbeihilfe von 4.000 Reais bekommen, eine "bolsa cultura" und was weiß ich nicht noch. Allein ihre Mietbeihilfe entspricht mehr als vier Löhne eines einfachen Arbeiters, der mit seinem schmalen Einkommen nur schwer alle Lebenshaltungskosten abdecken kann und anders als die wohlverdienenden Justizangestellten keine Mietbeihilfe bekommt.

Es sind aber nicht nur Richter und Justizangehörige, die extrem über dem brasilianischen Durchschnittslohn von 1.700 Reais verdienen. Hinzu kommen die Ärztekaste, die Politiker, die Unternehmerkaste und andere, die letztlich alle von den geringen Einnahmen der restlichen Bevölkerung bezahlt werden oder davon profitieren.

Angesichts der jüngsten Entscheidung des brasilianischen Kongresses zur Erhöhung der ohnehin schon hohen Gehälter wird deutlich, dass der Spalt zwischen Arm und Reich politisch durchaus gewollt ist. Die von der Interimsregierung verkündeten Sparmaßnahmen werden indes wohl eher die Kleinen tragen müssen.

Noch schürt die extreme Schere zwischen Reich und Arm keinen Aufstand. Hier und da wird lediglich gestreikt. Und so werde ich wohl noch ein paar Tage auf Zahnpasta aus der Drogerie und den Bus in die Stadt verzichten müssen. Zum Glück ist die Vorratskammer bis auf Kleinigkeiten, Zwiebeln und Zahnpasta noch gut gefüllt. So kann ich den Streik zumindest mental unterstützen, auch wenn der wahrscheinlich wieder eine Erhöhung des Fahrgeldes nach sich ziehen wird.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Stachelpalme mit Frucht

Endlich, mein Stachelbaum:

Regentagblues

Invasion beim Nachbarn

Mitten im Winter wird es Sommer