Pech mit meinem Bambus


Wir haben das Krachen gehört. Zuerst das immer lauter werdende Knacksen, dann an irgendetwas entlang streifende Zweige und schließlich das Wumm, mit dem in der Stille der Nacht irgendwo ein Baum umgeknallt ist. Irgendwo im Wald, vielleicht auch im Sumpf, sagt Alessandro. 

Am nächsten Morgen zieht er mit den Hunden los, um nachzusehen. Erschöpft, enttäuscht und verzagt kommt er zurück, schlägt mit der flachen Seite des Facãos (Buschmesser) gegen sein in Gummistiefel steckendes rechtes Bein. Die Worte wollen nicht wirklich kommen. Während er so da steht und überlegt, wie er mir das entdeckte Malheur beibringen soll, werde ich immer ungeduldiger. Um mich nicht wirklich aufzuregen, fängt er von hinten an. 

Du wirst jetzt noch ein bißchen länger warten müssen, sagt er, bis du deinen Bambus nutzen kannst. 
Mein Bambus ist umgefallen? Welcher? Und das hat soviel Krach gemacht?
Nein, dein Bambus ist nicht umgefallen. Ein Baum ist umgefallen.
Naja, das ist ja nicht so schlimm. Es fallen doch täglich irgendwo irgendwelche Bäume um. 
Ja, aber nicht auf deinen Bambus.

Wenn er sagt "dein" Bambus, dann meint er den Guadua chacoensis, eine im Süden Brasiliens einheimische, wunderschöne Bambusart. Die Diaphragmen der Kolme sind von schneeweißen, dicken Ringen gekennzeichnet, die sich vom zarten Grün der Stämme abheben. Er wächst nicht so dicht wie andere horstige Bambusarten und breitet sich auch nicht so aus wie die, die Ausläufer machen. Sein einziger Nachteil sind seine Dornen an Kolm und Zweigen. 

Ich habe vor sieben Jahren acht Guaduas aus Samen gezogen und gepflanzt. Zwei sind in der Hitze des vergangenen Jahres vertrocknet. Zwei weitere mussten der Stromleitung weichen, deren Trasse - obwohl anders geplant - kurzerhand mitten über sie hinweg gezogen wurde. 

Mein Guadua scheint unter keinem günstigen Stern geboren zu sein. Jetzt hat sich unser "Gigant" über einen weiteren meiner Horste gelegt und zerfetzt, was ihm dabei in den Weg gekommen ist. Ein einziger Stengel ist übrig, der sich erst dieses Jahr in den Himmel hinauf gestreckt hat. Jungstengel brauchen aber die alten, weil sie selbst noch keine Photosynthese machen. 

Der treibt schon wieder aus, beruhigt mich Alessandro. 
Ja, er wird wieder austreiben. Aber er wird wieder mit dünneren Stengeln anfangen und noch einmal ein paar Jahre benötigen, bis er wirklich erntereife Kolme aufweist. Damit bleiben mir lediglich zwei meiner Guaduas, von denen ich in den nächsten Jahren tatsächlich Kolme umschneiden und nutzen kann. Anders als bei vielen anderen Bambusarten ist die jährliche Zahl der Sprossen der Guaduas nicht so zahlreich. Zumindest spitzen bei meinen pro Jahr und Horst lediglich ein bis drei hervor, während es beim Dendrocalamus asper dieses Jahr 18 neue Sprossen waren und beim Bambusa vulgaris 14.

Der umgefallene "gigante" war ein stolzer Baum. Wir haben ihn gigante genannt, weil Stamm und Wurzeln an seinem Fuß ein Gebilde geformt hatten, das einer gigantischen Bank geglichen hat. Ein Teil eines seiner Stämme war hohl. Abgesehen davon schien er aber gesund gewesen zu sein. Jetzt liegt er da, ausgebreitet über einen meiner Bambuse und zwei unserer Waldwege überdeckend. Im Fall hat er zwei weitere Bäume mit sich gerissen und eine neue Lichtung in unserem Wald geschaffen. 

Noch haben wir nicht genügend Mut gefasst, um uns an die Aufräumarbeiten zu machen. Die werden sich über zwei-drei Wochen hinwegziehen. Und ich weiß auch nicht wirklich, wo und wie wir anfangen sollen. Sind wir doch gerade dabei, den großen Baum neben dem Haus zurückzuschneiden, weil sich auch er als brüchig erwiesen hat. Ein vom Wind abgebrochener Ast hat fast das Dach mitgerissen. Die Tage wollen wir gemeinsam mit einem Nachbarn die Straße ausbessern und im Steinbrauch gekauften Schotter verteilen. Endlich eingetroffen sind auch die Verbindungsstücke für unsere Wasserleitung. Um alles zu bewältigen bräuchten wir mal eben noch ein paar Hände und Arme. Werde mal eine Bestellung ans Universum abschicken...

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