Demos und Töpfeklappern

In den zwölf Jahren seit die Arbeiterpartei PT in Brasilien an der Regierung ist, hat sich einiges getan und einiges auch nicht. Noch nie wurden so wenige Indio-Territorien ausgewiesen, wie im vergangenen Jahrzehnt, gab es soviel Landkonflikte und Tote, die Gewaltrate ist mit 56.000 Toten pro Jahr enorm und die Agroindustrie hat es geschafft, die fortschrittlichen Umweltgesetze des Landes zu ihren Gunsten aufzuweichen, ganz abgesehen von der Gen-freundlichen Politik, der Manie zur Gigantonomie bei Stromkraftanlagen, der Atompolitik und anderem. Noch nie ist allerdings auch die Zahl der in extremer Not lebenden Menschen so stark gesunken, wurden so viele Arbeitsplätze geschaffen und ist die Mittelschicht so stark angewachsen.

Genau die ist es, die jetzt auf die Straßen geht. Etwa 2,3 Millionen Menschen haben am Sonntag in ganz Brasilien mit friedlichen Demonstrationen
ihren Unmut über die Regierung und allen voran Präsidentin Dilma Rousseff kund getan und ebenso ein dringend notwendiges Ende der Korruption gefordert. Schritte und Veränderungen sind notwendig. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Die Frage ist nur, welche Schritte und Maßnahmen.

Während die Minister noch am Sonntagabend über das Recht von Demonstrationen und Meinungsfreiheit sprechen, klappern vor allem in den Stadtvierteln der besser gestellten Brasilianer in Morumbi in São Paulo, Ipanema in Rio de Janeiro, Água Verde in Curitiba sowei in anderen Städte etliche Bewohner mit den Töpfen. Auch als am Montag Präsidentin Dilma Rousseff einmal mehr zu einem notwendigen Dialog über die Parteien hinweg aufruft und Konsequenzen zu den Korruptionsskandalen ankündigt wird wieder geklappert. Selbst bei Rousseffs Ansprache zum Internationalen Frauentag am 8. März gab es vor allem von den bessergestellten Brasilianern Töpfeklappern. Von einem Dialog scheinen sie nicht viel zu halten. Stattdessen wird ein Amtsenthebungsverfahren der demokratisch gewählten Präsidentin Dilma Rousseff gefordert. Das schwirrt bereits seit den knapp verlorenen Wahlen der Oppostion im Oktober 2014 als Geist durch facebook und Co.

In den gut zwei Monaten seit ihren Amtsantritt habe sich die Präsidentin nichts zu Schulden kommen lassen, was ein Impeachment rechtfertige, sagen Rechtsexperten. Doch die Unterschriftensammlungen laufen, weitere Demonstrationen gegen Rousseff wurden bereits angekündigt und Töpfeklappern wird es in den kommenden Monaten wohl noch öfters geben.

Mit 3,4 Millionen Stimmen ist Rousseffs Gegenkandidat Aécio Neves beim zweiten Wahlgang unterlegen, etwas mehr als drei Prozent der 105 Millionen gültigen Stimmen. Die knappe Niederlage wird indes politisch ausgenutzt. Die Hälfte der Brasilianer wolle Veränderungen, heißt es von Oppositionspolitikern, die zu vergessen scheinen, dass mehr als die Hälfte genau diese nicht wollten.

Theologe Leonardo Boff spricht davon, dass die “Reichen” nichts von den “Armen” wissen wollen und von einem “Haß“ der Bessergestellten auf diejenigen, die weniger haben. Auch andere Philosophen, Politexperten und Sozialwissenschaftler wollen eine gewisse Wut ausgemacht haben. Ein Journalist bringt es ohne viel Gedöhns auf den Punkt: Diejenigen, die es in den vergangenen Jahren geschafft haben, einige ihrer Träume zu verwirklichen, wie die Anschaffung eines Neuwagens, ein eigenes Heim und eine gute Arbeitsstelle, haben Angst diese jetzt zu verlieren. 


Bei uns ist es abgesehen von den täglichen Gewittern indes friedlich. Die Straßen waren wie sonntags üblich auch am Demo-Sonntag leer gefegt. Lediglich im facebook, da tobte der Wettstreit zwischen den Posts der Befürworter und Gegner der aktuellen Regierung.

Kommentare

mondin hat gesagt…
Wenn Du von der Wut und dem Hass gegen die Präsidentin, die PT und die ärmere (="dümmere" Bevölkerung) nichts mitbekommen hast, bist Du wirklich zu beneiden !!!
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Hallo Ursel,
bei uns auf dem Land ist die ärmere Bevölkerung in der Überzahl und die Diskussion tatsächlich nicht so stark ausgeprägt wie in den großen Zentren. Aber lass uns mal abwarten, was die nächsten Wochen bringen...
ganz liebe Grüsse
Gabriela

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