Brasilianer bevorzugen Fernseher statt Waschmaschine


Nachdem unser Brunnen nun wieder täglich mit frischem Wasser aufgefüllt wird, könnte ich eigentlich Wäsche waschen. Wenn ich aber den 1,5 Meter hohen Berg an dreckigen Hosen, T-Shirts, Handtüchern, Bettlaken und sonstiger Schmutzwäsche sehe, fallen mir gleich tausend andere Dinge ein, die auf jeden Fall viel dringender zu erledigen sind, den Lirio ausreißen, der unsere Wege zuwächst, Alessandro beim Beseitigen des Bruchholzes helfen, einen Plan zeichnen, wo welche Möbel hin sollen, so wir es denn endlich einmal schaffen sollten, unser Häuschen zu kalken und überhaupt muss schon längst einmal der Spiegel im Bad geputzt werden.

Heute haben keine Ausreden mehr geholfen. Beim Öffnen des Schrankes hat mich die Leere in die Realität zurück geholt. Keine Hosen mehr zum Anziehen und nur zwei T-Shirts fein säuberlich gefaltet. Will ich die nächsten Tage nicht halb nackt rumlaufen, muss ich Wäsche waschen. Dabei wollte ich warten, bis der Anschluß an die Wasserleitung endlich erledigt ist. Der zieht sich aber hin. Erst am Mittwoch ist der letzte Teil der bestellten Schlauchrohre gekommen. Was jetzt noch fehlt
sind die Verbindungsstücke. Bis wir die auftreiben, werden wohl auch wieder ein paar Wochen vergehen. In unserem Städtlein gibt es sie jedenfalls nicht zu kaufen.

Jetzt laufe ich in Gummistiefeln zwischen Waschbecken, dem tanque, und Brunnen hin und her, pumpe mit der Hand Wasser hoch, schleppe Kübel zum tanque, weiche Handtücher, Bettlaken, zwei Hosen, zwei Hemden und ein wenig Unterwäsche ein, bevor ich mit dem Schrubben am Waschbrett loslege. Ausnahmsweise hilft mein Süßer. Auch er hat meinen Wäschewaschstreik nicht mehr ausgehalten. Bald fängt er zum Klagen an, was das doch für eine harte Arbeit sei und wie lange das denn dauert und, dass er schon wesentlich mehr Wasser hochgepumpt hat, als er für ein Duschbad benötigt. Nächste Woche, verspricht er, werden wir das Wasserleitungsproblem lösen, um endlich die Waschmaschine anschließen und vor allem benutzen zu können.

Dabei bin ich nicht die Einzige, die sich Stunden an den tanque stellt, um Wäsche zu waschen. In der Nachbarschaft hat keine der Frauen eine Waschmaschine. Erst ein paar Kilometer weiter hat eine Bekannte, so ein tolles Zeitsparteil. Laut den Zahlen des statistischen Amtes IBGE waren 2013 nur 58,3 Prozent der brasilianischen Haushalte mit einer Waschmaschine ausgestattet, wobei das keine solchen Edelteile sind, die hunderte Programme für Fein-, Schwer-, starke Schmutz- oder sonstiger Wäsche anbieten. Nicht einmal eine gewünschte Temperatur kann gewählt werden. Es wird kalt gewaschen. Immerhin befüllen viele sich mittlerweile allein mit Wasser, walken die Wäsche stundenlang hin und her, schleudern und pumpen das Wasser wieder ab. Fertig.

Bisher hat kein Statistiker ausgerechnet, wieviel Zeit die brasilianischen Frauen im Leben am Waschbrett verbringen. Vielleicht sollte ich ihnen mal einen Tipp geben, damit sie eine Studie erstellen, wieviel der nationalen Wirtschaft durch den Zeitvertreib am Waschbrett verloren geht. Bei einem vier Personen Haushalt, sind es mit Sicherheit etliche Stunden pro Woche, während der Rest der Familie vor der Glotze sitzt oder im Internet surft. Wäschewaschen ist Frauensache. Würden alle Familienmitglieder Wäsche am Waschbrett schrubben müssen, gäbe es mit Sicherheit mehr Waschmaschinen in den Haushalten als Fernseher. So aber sind 97,2 Prozent mit einem Fernseher ausgestattet und eben nur 58,3 mit einer Waschmaschine. Wie war das mit der Gleichstellung der Frauen? Wäre die Waschmaschine der Gleichstellungsfaktor würden die Frauen um 41,7 Prozent hinter den Männern zurückliegen! Saubere Statistik.

Würden die Waschmaschinen als Wohlstandsfaktor hergenommen, hätte sich in den vergangenen zehn Jahren allerdings der Wohlstand der Familien stark verbessert. 2005 hat auf jeden Fall nur in 35,57 Prozent der Haushalte eine Waschmaschine das Leben der Frauen erleichert. Jetzt ist wenigstens schon mehr als jeder zweite Haushalt mit dieser Frauenfreundlichen Technik ausgestattet. Ich finde jedenfalls, dass Waschmaschinen für soziale Programme und die Gleichstellungspolitik unerläßlich sind. Aber die Frauen in der Politik und Wirtschaft waschen ja nicht von Hand, die haben Waschmaschinen oder lassen waschen. Wenn die mal wüssten, wie sie mit den Waschmaschinen die Wirtschaft ankurbeln könnten. Immerhin fehlen um die 20 Millionen Waschmaschinen, um alle der 50 Millionen brasilianischen Haushalte mit ihnen auszustattetn.

Kommentare

mondin hat gesagt…
4-köpfige Familie :
ich wasche fast jeden Tag eine Maschine voll...
Ich wünsch' Dir auch ganz bald eine !!!!

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