Wahlspektakel




Noch eine Woche dann sind Wahlen, dann dürfen die Brasilianer unter 26.000 Kandidaten ihre Volksvertreter wählen. Dann werden endlich auch wieder die Plakatböcke verschwinden, die jeden Morgen entlang der Straßen, auf Bürgersteigen und Verkehrsinseln aufgestellt und bei Sonnenuntergang wieder eingesammelt werden.

Plakatwellen branden von rechts und links gegen die Straßen

Wenn wenigstens ein schöner Mann dabei wäre“, sagt Marcia, dann hätte sie gar nichts dagegen, dessen Konterfei schon morgens lächeln zu sehen. So aber sorgen die Plakatwellen, bestehend aus Männer- und Frauenköpfen, bei ihr ein wenig für ein leichtes Unwohlsein, wie sie sagt. Auskommen tut den papiernen Politikern keiner. Sie umzingeln jeden, der eine Straße betritt, befährt, begeht, mit ihrem eingefrorenen Lächeln.

Die großen Parteien leisten sich auch in kleineren Orten ein eigenes Wahlkomitee. Dort treffen sich die Wahlhelfer, werden die Plakate verstaut, Strategien geschmiedet, Werbebroschüren verteilt. Ein paar Wochen vor der Wahl werden dazu Häuser angemietet und schnell mit den Farben der Partei bemalt, damit auch ein jeder weiß, wer dahinter steckt.

Große Parteien leisten sich auch in kleineren Orten ein eigenes Wahlkomitee

Zigtausende Euro werden nicht nur für die Wahlkomitees und dafür ausgegeben, dass irgendjemand die Plakate aufstellt, sondern auch dafür, dass sich Frauen und Männer an Kreuzungen und Ampeln stellen und die Fahnen der Parteien schwingen. 

Geld fließt auch in die „Passeatas“. Bei denen fahren 15, 20, 30 Autos hupend durch die Stadt. Aus den offenen Autofenstern schallen Begeisterungsrufe, strecken sich Wimpel schwenkende Arme in die Höhe. Vorne dran fährt ein Traktor, auf dessen Ladefläche einer der Kandidaten oder Kandidatinnen trohnt und natürlich lächelt und wie die Königin von England ihrem Volk entgegen winkt. Mittendrinnen in der Schlange gibt ein mit Lautsprechern bestückter Wagen den Ton an. „Gleisi, Gleisi, Gleisi. Gleisi wird es richten. Auf Gleisi ist nicht zu verzichten...“ schallt es singend über die Köpfe der eher unbeteiligten Wähler hinweg. Aus der Gegenrichtung kommt indes der Gegenwind. Und schon gibt es einen Song-Contest der Kandidaten . „Requião ist der Beste. Requião weiß, was der Bürger will...“, gröhlt es mehr oder weniger melodisch aus den Lautsprechern des Gegenkandidaten.

Auch wer zu Hause bleibt, kommt dem Trubel nicht aus. In Radio und Fernsehen läuft synchron geschaltet auf allen Sendern zur gleichen Zeit die Wahlpropaganda.
50 lange Minuten werben dutzende und hunderte Kandidaten mit ihren Sprüchen im Sekundentakt:
Schließ dich uns an, wähle PSPP“,
Wer gewinnen will, wählt mich, den Bill“,
Die Zeit ist reif für Veränderungen, deshalb gib uns deine Stimme“.

Mein Favorit ist der Herr X., der um die Stimme bittet, um in den Senat gewählt zu werden, um diesen dann gleich abzuschaffen, wie er sagt.

Damit die Wähler nicht vergessen, für wen sie in der Stunde der Wahl stimmen sollen, werden Millionen von „Santinhos“ verteilt, Zettel in der Größe von Heiligenbildchen. Statt mit einem Heiligen, sind sie mit dem Bild des Kandidaten und dessen Nummer bedruckt. Jeder der 26.000 Kandidaten hat eine Nummer. Fünf Nummern erhalten die, die sich um einen Sitz in einem der 27 Landtage bewerben. Vier Nummern sind für die Kandidaten des brasilianischen Parlaments, drei für die Senatoren, zwei für die Gouverneure und zwei für die Präsidentschaftskandidaten. Die Nummern werden am Sonntag in die elektronischen Wahlurnen eingetippt und fertig. Ohne Papierfaltübungen und Zettelauszählarbeit stehen wenig später schon die Wahlergebnisse fest. Bei den Wahlen beweist Brasilien, dass es auch effektiv sein kann. 

Die Pferde werden zwar nicht scheu gemacht, deren Weidegründe sind jedoch ein gefundenes Fressen für die Plakatwandaufsteller der Parteien

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