"Jetzt brauche ich nur noch Urucum", sage ich zu Re. Sie heisst eigentlich Rechelaine (gesprochen Rescheleine), aber alle nennen sie Re, gesprochen "He". Re ist eine unserer Nachbarinnen. Sie erinnert mich ein wenig an meine Rosina aus der Heimat. Beide sind sehr bodenständig und bergen riesige Schätze von Wissen, das die meisten von uns nur noch aus Büchern oder Dokumentarfilmen kennen. "Ha", sagt Re, "ich weiss wo ein Strauch wächst. Da auf dem Grundstück neben dem Japaner." Schon stapfen wir gemeinsam Richtung Japaner. Da steht er der Strauch. Hat sogar einige Samenkapseln, die schon aufgeplatzt sind. Später gehen Alessandro und ich noch einmal hin, um ein paar Samenkapseln zu ernten.


Gross ist die Ausbeute nicht. Für den Anfang reicht es jedoch. Vorerst will ich ja nur einmal ausprobieren, was für Farbe sich damit herstellen lässt und wie ich diese auf dem Bambus verwenden kann.


Gemeinsam mit Katze Sissi puhle ich die Samen aus den Kapseln. Sissi ist ganz wild auf die Samenkapseln, die fast wie die Kapseln der Bucheggern aussehen. Dass das Urucum tatsächlich färbt, merke ich schon nach wenigen Minuten, mit einem Blick auf meine Finger. Sie sind orange-rot, als hätte ich mir gerade mit Henna hantiert. Nachher werde ich die Samen noch im Mörser zerstossen und einen ersten Versuch mit Leinöl starten.


Urucum wächst fast überall in Südamerika. In der Küche wird es ähnlich wie Safran als Färbemittel eingesetzt, zum Beispiel, um Soßen oder Hähnchen zu bräunen. Einige Nahrungsmittelhersteller ziehen den Farbstoff des Urucum (INS160b) den künstlichen Farbstoffen vor. Wahrscheinlich ist er billiger. Er ist aber auch gesünder. Deshalb wundert es nicht, dass Urucum auch schon von der Kosmetikindustrie entdeckt wurde. Wer weiss, vielleicht habt ihr es euch ja schon einmal auf die Lippen geschmiert. Denn statt das Rot des Lippenstiftes aus Läuseblut oder künstlich zu gewinnen, lässt sich auch Urucum verwenden, das obendrein noch vor UV-Strahlen schützen soll. Der Öko-Kosmetikhersteller Aveda hat sich von den Vorteilen schon 1992 überzeugen lassen und sogar einige Projekte mit Tribos von Indios aus dem Amazonasgebiet iniziiert. Die Firma kauft den Indios das Urucum zu einem wesentlich höheren Preis ab, als sie bei einheimischen Händlern erzielen würden. Einem Bericht zu Folge hat die amerikanische Firma ebenso eingie Dollar in den Bau von Schulen, Hospitälern und Solaranlagen für die Indios investiert. "Rio 92" wie es sein soll: Öko- und sozialverträglicher Komerz.

Noch ein Nachtrag zu gestern:

Spaltet sich der Bambus in grünem Zustand, zieht er sich beim Trocknen unterschiedlich stark zusammen. So wurde aus dem ehemals rundem Bambus ein "Achterbambus". Der Riss geht aber nur bis zum ersten Diaphragma. Die Diaphragmen wirken wie Rissbremsen.

Kommentare

Stela hat gesagt…
Hi Gabriela,nicht nur deine handwerklich künstlerischen Fähigkeiten beeindrucken mich,es ist auch toll wieviel Wissen du über Bambus zusammengetragen hast.
Es erinnert mich gerade an die Geschichte von Freunden meiner Schwester:sie sind nach Portugal ausgewandert und haben dort jahrelang kärglichst versucht von ökologischen Handwerks-Bauarbeiten,ökologischem Tourismus Vermarktung von Oliven und einer Saline zu leben.
Plötzlich haben sich die politischen Verhältnisse geändert,die beiden wurden in eine Art Ausschuss für ökölogischen Tourismus der nächsten Stadt berufen und haben plötzlich eine Existenz und gute Auftragslage.
...das zur Ermutigung,dass auch dein zuweilen sehr steiniger (und schlammiger!) Weg gewiss Früchte tragen wird!!!
Stela
sam hat gesagt…
Hi Gabriela,

ich schliesse mich Stela an!
Toll, was Du alles rauskriegst und (er-) finden darfst im Zuge Deiner Arbeit! Aber es ist natürlich mühsam, wenn man quasi jeden "Fehler" selber machen muss, in sovielem Pionierin sein. (Und dann auch noch Behördenkram, damits nicht zu einfach wird..)

Ich wünsch Dir weiterhin Geduld, Spucke und Leidenschaft und dass der Bambus Dir gewogen bleibt (scheint sich ähnlich aufzuführen wie Hartholz, wenn mans zu schnell trocknet...)

Grüsse aus herbstlichem Sauwetter,
Sam
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Liebe Stela, liebe Sam,

danke für eure aufbauenden Worte! Da macht es gleich nochmal mehr Spass weiter zu forschen.

Ja, der Bambus führt sich wirklich auf wie Hartholz. Er erinnert mich stark an meine Versuche (äh, vor 20 Jahren...) einen Ulmenstumpf zu beschnitzen. Manchmal führt er sich dazu noch ganz schön zickig auf....

liebe Grüsse
Gabriela

Beliebte Posts aus diesem Blog

Stachelpalme mit Frucht

Endlich, mein Stachelbaum:

Regentagblues

Invasion beim Nachbarn

Mitten im Winter wird es Sommer