Antonina. In dem kleinen Städtchen sollen 15.000 Menschen und noch einmal 3.000 in der Umgebung. Zwei davon werden wir sein. Ein Postfach haben wir bereits in Antonina. Auch beim Amt für Kolonialisierung haben wir schon einen Antrag gestellt, um unser Grundstück registrieren zu lassen. So um die zwei Monate wird es dauern, bis wir die Registrierungsnummer erhalten werden, hat uns der "Beamte" gesagt. Ich hoffe, dass wir vorher schon mit dem Bau unseres Häusleins anfangen können.


Goldsucher waren es, die sich im 17. Jahrhundert in der Nähe der Meereseinbuchtung von Antonina niedergelassen haben. Gold und andere Minerale soll es in der Umgebung immer noch geben. Zum Glück wurden die Vorkommen als "nicht wirtschaftlich genug" eingestuft, um sie weiter auszubeuten.

Die Blütezeit erlebte das Städtchen erst später. Im 19. Jahrhundert wuchs die Ansiedlung, wurde der Hafen ausgebaut, liessen sich Italiener und später Japaner in der Umgebung nieder. Verschifft wurde von Antonina aus "Erva Mate", ein Tee, der bei den Indios als kräftigendes und gesundheitsförderndes Getränk galt. Das Geheimnis der Pflanze gaben sie den Siedlern preis, die mit dem Anbau und dem Verkauf des Tees begannen. Riesige Lager- und Warenhäuser entlang der Strassen Antoninas zeugen noch heute davon, auch wenn der Tee längst nur noch eine winzige wirtschaftliche Rolle spielt. Jahrzehntelang wurde die einstige Rolle des Hafens von Antonina vergessen. Vor ein paar Jahren wurde er mit seinen halbverfallenen Gebäuden wieder entdeckt. Vor allem Papier und Gefrierprodukte werden mit der Eisenbahn nach Antonina gebracht und von dort aus in die Welt verschifft.

Zaghaft wird heute versucht, Antonina für Touristen attraktiv zu machen. Hotels, Pousadas, Campingplätze gibt es. Allein, es fehlt noch am Besucherandrang. Auf dem Foto oben ist die Rückseite eines Hotels zu sehen. Ähnlich wie in Deutschland zur Zeit der Industrialisierung wurde auch hier in Antonina zur Boomzeit im Stadtgebiet jeder Zentimeter intensiv genutzt und mit Bauten zugepflastert, so dass manche Gebäude wie übereinander gestapelte Schachteln wirken.

Um ihre Häuser grösser und schöner und sich somit reicher wirken zu lassen, wurden einst Scheinfassaden gebaut, was noch an vielen historischen Gebäuden alter deutscher Städte zu bewundern ist. Scheinfassaden gibt es ebenso in Brasilien. Steine oder gar Ziegel zum Bau der Häuser waren teuer oder mussten von weit her transportiert werden, was angesichts mangelnder Strassen und schlecht ausgebauter Wege schwierig war. Im Überfluss gab es indes Holz. So haben etliche Bürger zu dem Trick gegriffen, die Fassade zur Hauptstrasse hin aus Stein zu bauen und den Rest des Hauses aus Holz.

Als Baustoff ist Holz nach wie vor billiger als Ziegel. Nicht so betuchte Brasilianer bauen ihre Häuser deshalb aus Holz und träumen von einem Ziegelhaus. Holzhäuser haben auch den Vorteil, dass sie diese selbst erstellen können. Angesichts dessen wundert es nicht, dass sie uns verrückt halten, wenn ich sage, dass wir uns ein Häuschen aus Holz und Bambus bauen wollen. Holz und Bambus werden mit Armut assoziiert und, so paradox es erscheinen mag, ebenso mit Luxus. Denn die ganz ganz reichen, leisten sich Häuser aus Edelholz mit riesigen Fensterfassaden (gutes Glas ist teuer!) oder auch schon einmal einen Bambuspalast. Da ich weder den Eindruck von Luxus vermittle noch den von bitterer Armut, passen meine Bauvorstellungen ganz einfach nicht in ihre Köpfe. Ich hoffe, wir können ihnen das Kamel durchs Nadelöhr führen...

Kommentare

Anonym hat gesagt…
....."Scheinfassaden", leben Menschen sicher noch zahlreicher als Häuser......
Grye Owl
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Hallo Grye Owl,

ha, stimmt! Da habe ich mal wieder nur an Architektur gedacht... aber es ist wahr, das mit dem Leben der Scheinfassaden... wieder etwas, was wohl überall auf der Welt gleich ist...

liebe Grüsse
Gabriela
Juansi hat gesagt…
Hallo Gabriela,

ich finde es schön, wie Du Dich für die Geschichte(n) der Orte, die Du kennenlernst, interessierst und Dich damit auf besondere Weise verbindest. Und was meinst Du wohl - wirst Du je in ein brasilianisches Raster passen, oder willst Du das überhaupt?

Herzlichst Juansi
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Hallo Juansi,

vor lauter Aufregung habe ich gerade meinen Kommentar gelöscht...

nein, nein, auch wenn ich vieles in Raster einordne, um mich besser orientieren zu können, will ich selbst doch lieber nicht in irgendeinem Raster zu Hause sein. Da bin ich lieber Weltenmensch, eine bunte Mischung in einer Welt voller verschiedener Kulturen. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Kulturen fand ich schon immer spannend. Denn eigentlich haben wir von allen was und sind doch ganz anders...

ganz liebe Grüsse
Gabriela
P.S. habe gestern von "meinem" Schamanen geträumt. Leider erinnere ich mich nicht mehr an viel, was ihn betrifft. Kennst du einen Schamanen aus Bayern, der vor ca. 5 oder 6 Jahren gestorben ist und ein Sioux war?
Anonym hat gesagt…
Hallo Garbiela!
Ich rede nicht lange um den heißen Brei. Würdest Du so lieb sein, und mal nachschauen, ob ich`s richtig geschrieben habe,....mit Deinen, bei weitem besseren Spanischkenntinssen.
www.mi-camino-la-montana.blogspot.com

Ich danke Dir von Herzen!!!
Grye Owl
und jetzt auch noch Calluna

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