Vermessen!


Ein wenig erinnert er mich an Donald Duck. Kleine, schnelle Schrittchen macht er. Über der Schulter ein weisses Plastikrohr, auf dem Rücken einen Rucksack aus groben Leinen. Der Waldweg ist nicht mehr ganz so schlammig, wie er es den Sommer über war. Die Regenzeit ist vorbei. Dennoch sind einige honigfarbene Pfützen auf dem tonigen Boden geblieben. An dem weissen Kantholz bleiben wir stehen. Es markiert einen der vier Grenzpunkte unseres Grundstückes. Von ihm aus zieht sich der von Sebastião gemähte Streifen den Hang hinunter. Die östliche Grenzlinie.

Der Vermesser packt seine Sachen aus, montiert sein GPS, das einem grossen Handy gleicht, an der Messstange, die er neben den weissen Holzpflock in den Boden gerammt hat. Gekrönt wird sie von einem tellerähnlichen Teil, einer Art Parabolantenne, mit der die Signale der Satelliten eingefangen werden.

Beinahe hätte es nicht geklappt. Fast zwei Wochen war schönstes Sonnenwetter mit angenehmen 25 Grad. Mittwoch nacht fing es zu regnen an. Donnerstag morgen regnete es immer noch. Um acht Uhr wollten wir uns treffen, um das Grundstück zu vermessen. Weil es regnete, rief ich beim Vermesser an. Mit verschlafener Stimme erklärte er mir, dass wir den Termin angesichts des Wetters verschieben müssen. Nach einigem Überredungskünsten stimmte er meinen Vorschlag zu, uns noch am Donnerstag zu treffen - in einer Regenpause, die ich innigst herbei sehnte. Wir hatten Glück. Gegen Mittag klarte es. Wir machten uns auf den Weg.

Nur wenige Minuten warten wir, bis der kleine Kasten die Koordinaten des Grenzpflocks anzeigt. Dann gehen wir weiter zum westlichen Grenzstreifen. Von unserem so mühsam frei gelegten Sumpf will der Vermesser nichts wissen. An seinem Rand macht er Halt, rammt das Messgerät in den Boden, nimmt den Punkt auf und befindet, dass dies ausreichend sei. Ich versuche darauf zu drängen, durch das mittlerweile nur noch knietiefe Wasser zum anderen Ende zu waten. Wie will er denn sonst wissen, wie dort der Grenzverlauf aussieht? Meine Einwürfe werden ignoriert. Trockene Füsse scheinen ihm wichtiger zu sein. Auf der Ostseite watet er dennoch gemeinsam mit uns wenigstens durch den ersten Sumpfteil. Den zweiten schenkt er sich, wei gehabt. Vom Graben nimmt er ganz Pi-Mal-Daumen aus sicherer und trockener Entfernung an nur drei Stellen die Ufer auf. Ein wenig bin ich enttäuscht. Ich dachte, mit einem Gerät, das auf wenige Zentimeter genau die Koordinaten aus dem All holt, wäre auch die Arbeit auf der Erde exakter.

Nach nur dreieinhalb Stunden sind alle aus Sicht des Vermessers notwendigen Daten auf dem Chip des GPS-Gerätes gelandet. Pünktlich zur Beendigung der Arbeit fängt es zu regnen an. Im Stillen danke ich Petrus für die äusserst genau bemessene Regenpause.

Jetzt dürfen wir wieder warten. Noch beim Vermessen hat mir der Vermesser erklärt, dass alles ganz schnell gehe, seien einmal die Daten erhoben. Dann müsse er nur noch den GPS-Chip in den PC stecken und dort würde ein Programm aus all den Daten die Karte samt Höhenangaben und Längen- und Breitengraden erstellen. Ganz so schnell scheint der PC nicht zu sein. Mitte bis Ende der nächsten Woche werde er sich bei uns melden, dann könnten wir die ersten Ergebnisse betrachten und, sofern das Wetter mitspiele, schon einmal zwei Grenzblöcke setzen. Die anderen zwei, die im Sumpf stehen würde, könnten wir ja irgendwann später setzen oder vielleicht nur am Rande des Sumpfes oder vielleicht finden wir ja noch eine andere Lösung oder ich finde eine Art, ihn zu seiner versprochenen Aufgabe, alle vier Punkte zu markieren, zu zwingen.

Indessen baue und grüble ich weiter. Am Freitag sind so zwei in der Höhe verstellbare Holzböcke entstanden und eine grobe Tischplatte. Mein Arbeitstisch, der mir beim Bearbeiten der Bambusse und des Holzes dienen soll. Aus den Bretter- und Lattenresten habe ich gestern noch einen Schemel gebaut, damit ich mich künftig aufs Bänkle setzen kann, wenn wir im Gelände sind.

Ein bisschen übe ich schon die Strom- und Internetlose Zeit, die da auf uns zukommt. Die Umstände zwingen mich dazu. Zuerst wurde ein Hauptkabel der Telefonleitung geklaut. Das kommt öffters mal vor, enthalten die Kabel doch wertvolle Rohstoffe wie Kupfer und Aluminium. Beides wird auf dem internationalen Markt teuer gehandelt, was auch in Brasilien die Preise steigen liess. Gestiegen ist die Produktion und mit ihr auch der Rohstoffdiebstahl. Die Kabeldiebe verkaufen Kupfer und Aluminium vorwiegend an Alteisenhändler und manchmal auch direkt die Leitungen an Baufirmen und Bauherren. Geklaut werden ebenso Stromkabel. Das ist nicht ungefährlich. Allein im vergangenen Jahr sind nur in unserem Bereich zwei Diebe "gegrillt" worden, wie sie das hier sarkastisch nennen, als sie versuchten, Stromleitungen zu klauen. Tausende Kilometer Kabel werden jährlich in Brasilien geklaut. Der Schaden geht in die Millionen und wir bleiben immer wieder einmal ohne Internet und Strom.

Kommentare

der Gauzibauz hat gesagt…
Liebe Gabriela,

ein WAHNSINNS FOTO!

Liebe Grüsse//Erika
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Hallo Erika,

ja, unser kleiner Dschungel...
Habe übrigens spannende Nächte hinter mir - Lesenächte... Waren toll die Bücher!!!! Nochmal Danke!!!!!

Wünsche dir und deinem Süssen alles Liebe
Gabriela
Stela hat gesagt…
Hi Gabriela,
hab dich grad mal wieder besucht- im Dschungel-freu mich so an deinen Indiana-Jones Abenteuern!!
Lass den Kopf nicht hängen,diese Achterbahnfahreten der Gefühle erlebe ich auch mit zunehmendem Alter als zermürbender aber immerhin,WIR tun was Spannendes und leben unsere Träume und die meisten anderen nicht-das ist das Wichtigste!
..und dann müssen wir uns halt gegenseitig Mut&Energie zufächeln,ich weiß die Männer sind in Sachen Abeteuerleben oft große Energieräuber und ihre Launen noch viel wechselhafter als unsere...
Alles Liebe
Stela
Anonym hat gesagt…
.......und wenn mann`s ihnen sagt, dann glauben sie es nicht!
Mit großen staunenden Augen stehen sie da, als könnten sie kein Wässerchen trüben, und streiten alles trotzig ab.
Monika
der Gauzibauz hat gesagt…
Liebe Gabriela,

....gell, und der verblüffende Schluss! Damals ´99 habe ich nur auf der Landkarte nachprüfen können, ob es die Strasse nach Tamanrasset gibt.
Die Felsgöttin hab ich nicht finden können. Nur die bekannten Felsmalereien. Grad vorher hab ich mich noch bei google versichert, ob Marat wirklich in der Badewannewanne gestorben ist. Ich finde das Ganze grandios zusammengefügt.
Normal schau ich immer erst wie es aus geht. Meine Freundin hat mich beschworen es nicht zu tun und ich hab tatsächlich 2/3 des Buches geschafft ohne zu spickeln.
Was soll ich sagen, zwei Tage und ich hatte es ausgelesen, sogar neben dem Kochen her. Es macht mich glücklich wenn es dir gefallen hat.

Habt einen schönen Sonntag
Liebe Grüsse//Erika

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