Zweifel

Halt. Stopp. Ich brauche nicht noch mehr Hindernisse. Nicht genug, dass immer noch kein Horizont am endlosen Meer der Bürokratie in Sicht ist, fängt jetzt auch noch mein Holder damit an, Felsbrocken zu streuen.

Es war eine unerquickliche Auseinandersetzung, die sich dem heutigen Besuch unseres Grundstückes anschloss. Mit Hilfe von Google Earth wollten wir versuchen, uns ein genaueres Bild von dem Gelände zu verschaffen. Damit dies möglich ist, haben wir angefangen, die Grenzen mit dem Massband abzulaufen. Weder an der Ost- noch an der Westseite sind wir bis zum Ende vorgestossen. Der Sumpf hat uns daran gehindert und so wie es aussieht, ist der Sumpfbereich grösser als wir dachten. Sumpf, Bach und Uferstreifen machen jedenfalls weit mehr aus, als 20 Prozent der Fläche. Dazu kommt noch der Baumbestand, etliche Regenwaldinseln, die einem Feldgehölz ähneln. Die Summe der unantastbaren Fläche steigt. Dazu kommen gesetzlich vorgeschriebene Abstandsflächen. Damit schrumpfen unsere 3,5 Hektar Nutzfläche auf wenige Quadratmeter.

Mich betört die Natur und die Wildnis immer noch. Mittendrin ein Öko-Lehm-Bambushaus. Eine traumhaft schöne Vorstellung. Meine Oase am Rande des Regenwaldes. Mit Besucherhaus, Atelier und später einmal ein Workshophaus dazu. Während ich noch im Traum der grünen Zukunft schwelge vernehme ich seltsame Fragen.

"Wie stellst du dir das vor"? Wovon sollen wir leben? Wo sollen wir da denn etwas anbauen?"

Kein Platz zum Anbau für nix, befindet Alessandro. Intensivlandwirt wollte ich noch nie werden, sage ich. Kleinlandwirt bringt nichts. Drei Früchte, zwei Kartoffeln, vier Eier verkauft, zu zwölf Märkten gedüst und dann im zerrissenen Hemd nach Hause gelaufen. Ein zu Hause, das von Sumpf umrahmt ist und bei Regen unter Wasser steht, schimpft er. Süsser, wir sind am Hang. Der Sumpf ist unten, im Tal, am Ende des Grundstücks. Ha, das will er sehen, sagt er und holt aus, "zwei Monate strömender Regen und der Sumpf steht uns bis zum Hals". Nein, das taugt alles nicht, zetert er weiter. Schon kommt sein rettender Vorschlag dazu. Verkaufen. Aus und vorbei. Mir fällt nichts mehr ein, womit ich ihn überzeugen könnte, dass das nicht die Lösung ist.

Mein Vorschlag, mehr auf eine "Urlaubsoase" zu setzen als auf Landwirtschaft, verhallt in einem vernichtenden Echo. Er wüsste ja schon gerne, welche Menschen in einem Sumpf am Rande von Nirgendwo Urlaub machen wollen. In einem Sumpf, in dem es ausser Mücken nichts gibt, keinen See zum Baden, keinen schönen Bach zum Abkühlen an heissen Sommertagen, keinen Wasserfall, keine Ausflugsziele und nicht einmal eine Bar, in der sich die Gäste abends vergnügen können. Brauchen Menschen, die Erholung suchen all das? Müssen wir tatsächlich eine Erlebnisstätte alá "Badelandschaft" anbieten? Gibt es nicht auch solche Menschen, die nur die Natur und die Ruhe geniessen wollen? Die sich nach einer Wanderung nur danach sehnen, in einer Oase gut aufgehoben zu sein? Die mal ein Wochenende vom Grossstadtgetümmel ausspannen wollen? Meine Bilder mit Aussichtsturm, Lagerfeuer und Badeholzbottich im Freien finden keine Gnade. Mein Energiemeter zeigt Null an. Mein Kopf schmerzt und ich will nur noch schlafen.

Gegenwind aus dem eigenen Lager. Wo es doch der Zuspruch ist, den ich jetzt bräuchte. Ein paar konstruktive Diskussionen, Unterstützung hätte ich gerne und keine Vorhaltungen, Entmutigungen, unfruchtbare Auseinandersetzungen.

Seufz. Ich geh' erstmal ins Bett. Ein wenig Schlafen. Morgen denkt mein Fisch bestimmt schon wieder anders, hat bis dahin hoffentlich ein paar Zweifel besiegt oder vergessen und bietet mir seine starke Schulter.

Kommentare

kvinna hat gesagt…
"Gegenwind aus dem eigenen Lager. Wo es doch der Zuspruch ist, den ich jetzt bräuchte. Ein paar konstruktive Diskussionen, Unterstützung hätte ich gerne und keine Vorhaltungen, Entmutigungen, unfruchtbare Auseinandersetzungen."

Wie gut ich dich verstehe!

Was ist denn mit Rucksacktouris? Die werden doch immer mehr. Vielleicht euer Grundstück als Raststelle auf dem Weg von A nach B?
Anonym hat gesagt…
Hallo Kvinna,

das ist das Problem. Das Grundstück liegt leider nicht auf einem Weg von A nach B, sondern abseits von allem, weshalb ich auch eher an Erholungssuchende dachte. Sag mal, gibt es denn keine deutsche Touris, die mal ein paar Tage am Rande des REgenwaldes verbringen wollen - fern ab von Amazonas, Rio und Foz Iguaçu?
Ein Waldcafé fände ich auch noch hüsch - nur, wer verirrt sich zu uns?
Gib mir bescheid, wenn dir noch was einfällt...

liebe Grüsse
Gabriela
Ursel hat gesagt…
Hallo Gabriela,

ich denke, diese Touris gibt's bestimmt.Meine Mutter nennt fast alles,was sie hier an ungeordneter Vegetation sieht, "Urwald", hehe.
Ich denke, die sind wahrscheinlich echt enttäuscht, wenn sie keinen Urwald zu sehen bekommen...

LG und gib nicht auf !

Ursel

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