Grillblues im Schwalbennest

Wir haben ihn tatsächlich schon in Gebrauch, den Amigo-Grill. Mittlerweile funktioniert er auch, ohne, dass uns irgendwelche Trümmer um die Ohren fliegen. Das war gar nicht so einfach.

Im freundlichen Ton haben wir dem Amigo erklärt, was er am Grill alles ändern muss, damit er einigermassen einsetzbar ist und wir ihn behalten. Kein Problem, hat er gesagt. Bis morgen hat er das alles. Bis morgen? Unser Besuch war am Samstag. Der Morgen wäre also ein Sonntag gewesen. Nein, nein, haben wir gönnerhaft gesagt, er könne sich ruhig bis Montag Zeit lassen, wir warten ja auch erst seit drei oder vier Wochen auf den Grill.

Montag war der Grill natürlich nicht fertig. Es ging trotzdem erstaunlich schnell. Am Dienstag klingelt das Telefon. Er würde uns den Grill jetzt vorbei bringen, weil er ohnehin in die Stadt müsste und bei uns vorbeifahren würde. Zum Glück hat Manuele dieses Mal schnell reagiert und das "Mitbringen" ausgeschlagen. Wir holen ihn lieber ab, falls noch Nachbesserungen nötig wären, könnten die dann nämlich gleich noch gemacht werden, hat sie gesagt. Eine halbe Stunde später standen wir in der Fenstergitterwerkstatt unseres vermeintlichen Grillbaumeisters.
Oben noch eine zweite Gitteretage dran, unten eine Schublade für die Asche und die Kohle. So müsste er jetzt funktionieren. Nur, das Loch für die Schublade, die war etwas klein. Da hätten gerademal Kohlestücke von der Grösse einer alten Fünfmarkmünze durchgepasst. Wir haben sie deshalb noch vergrössern lassen.

Die Nachbesserungen kosten 30 Reais, hat uns der Sohn des Schmieds verkündet. Das haben wir ja gar nicht eingesehen. Aber, er habe doch extra galvanisierte Teile verwendet. Was anderes hätte ich auch nicht erwartet, habe ich gesagt. Wir haben uns auf 20 Reais mehr geeinigt, weil wir wenig Lust hatten, die 120 Kilometer nach Curitiba zu fahren, um dort noch einmal die Grillsuche aufzunehmen und der, den ich im Internet gefunden hatte, schon vergriffen war.

Insgesamt hat uns der Grill jetzt also 150 Reais gekostet und jede Menge Nerven.

Wann wir ihn ausprobieren werden, wollte ich von Manuele wissen. Ach, ausprobieren? Das braucht's doch nicht. Ist doch nur ein Grill, hat sie gesagt. Na, gut, dann halt nicht.

Am Donnerstag kam er dann zum Einsatz. Beinahe wäre dabei unsere ganze Kioskbar in Flammen aufgegangen.

Donnerstag war Feiertag. Etliche Ferienhausbesitzer aus der Stadt waren in Karawanen gen Strand gerollt. Im Geiste sahe ich schon die Reaisscheine blitzen.

Grill befüllt und Kohle angezündet. Die ersten fünf Minuten sah es tatsächlich so aus, als hätten wir Glück. Mit zunehmender Hitze hat sich dann aber die schwarze Farbe, mit der der Amigo den Grill eingepinselt hat, zuerst zu kleinen und dann zu grossen Blasen gebläht, um dann schliesslich in Fetzen abzufallen. Aus allen Kanten und Ritzen zischte der Rauch züngelten Flammen. Das war neu für mich: Farbe kann brennen. Sie brannte so vor sich hin, während alles in stinkenden Rauchschwaden versank. Da haben die wenigen Gäste, die wir hatten, verständlicherweise das Weite gesucht. Wir haben den Grill gepackt und zum Ausstinken auf die Wiese gestellt. Das mit den Gästen war nicht so schlimm. Manuele, die für die Getränke zuständig ist, hatte ohnehin vergessen, Bier zu bestellen, und es brach ein kleiner Biernotstand aus.

Am Freitag rief ich beim Grillmacher an. Ursel, du ahnst es schon: Er war angeblich nicht da. Ich habe deshalb seiner Frau erklärt, dass er den Grill abholen kann und die 150 Reais mitbringen soll. Warum denn, wollte sie wissen. Weil die Teile, für die er alte Straßenschilder verwendet hat, nicht als Grillwände gedacht sind, weil sie eigentlich nämlich als Wegweise gedacht wären und weil die Farbe, die ihr Mann verwendet hat, damit wir nicht entdecken, dass es Strassenschilder sind, giftig ist und wie die Hölle brennt, habe ich gesagt. Dann war es still am anderen Ende der Telefonleitung.

Hallo?
Huhu?
Äh, ich werde es ihm ausrichten. Sprach's und legte auf.
Leider war ich nicht da, als der Amigo anrief. Wir sollten doch den Grill kräftig einheizen, damit die restliche Farbe abblättere, dann könnten wir ihn ganz normal verwenden, hat er ausrichten lassen. Auf die Idee waren wir auch schon von alleine gekommen.

Sollen wir ihm noch eine Chance geben?
Nachdem wir ihn mit zwei Liter Alkohol eingesprüht und abgefackelt haben, hat er tatsächlich aufgehört, zu stinken, Flammen zu werfen und Rauch zu spucken. Von der Aufschrift auf den ehemaligen Strassenschildern ist auch fast nichts mehr zu erkennen. "Balneario", war vorher zu lesen. Balneario, das ist so etwas wie ein Stadtteil an der Küste, an dem die Badegäste, Zweitwohnungsbesitzer und Touristen zumindest ein paar Wochen im Jahr leben und sich vergnügen. Wir haben jetzt also einen "Balneario"-Grill.

Eigentlich wollte ich noch einmal beim Amigo anrufen und Schmerzensgeld fordern. Immerhin ist uns ein Geschäft entgangen, sah der Grill nach Strassenschild aus und verbraucht ewig viel Kohle, weil er so hoch ist. Gestern habe ich mich dann aber etwas beruhigt. Er hat funktioniert. Vom Strassenschild ist nicht mehr viel zu sehen. Was einst schwarz war, ist jetzt braun-grau-orange gefleckt und eigentlich ganz hübsch. Ausserdem haben wir gestern gleich zehn "Espetinhos", Spießchen verkauft, etliches Bier, das ich bei einem Getränkehändler schnell noch gekauft hatte und sogar ein paar Pfannkuchen am Stil. Es war unser bisher bester Tag - und das bei strömenden Regen!

Alessandros Onkel hat am Donnerstag noch seine Stereoanlage vorbei gebracht. Ein 3000-Watt-Teil. Wow. Mein Bruder wäre begeistert. Ich bin mit all den Knöpfen, Reglern und Flimmerteilen noch etwas überfordert. Immerhin habe ich mittlerweile heraus gefunden, wie ich es machen muss, damit Musik rauskommt, die ich in Form von CDs vorher rein tu. Er höre sowieso nie Musik und seine Kinder würden nur Fernsehschauen, da wäre die Stereoanlage bei uns besser aufgehoben, hat der Onkel gemeint. Er spinnt, habe ich gemeint. Nein, nein, hat er gesagt, nach der Saison würde er sie wieder abholen, dann hätten wir nämlich soviel Geld verdient, dass wir eine noch viel bessere kaufen könnten. Habe mich gebeugt. Hoffe, dass er Recht hat, mit dem Verdientst. Nur, anlegen werde ich den bestimmt nicht in einer noch grösseren Stereoanlage.

Seit einer Woche haben wir zudem einen Dauergast in unserer Kioskbar. Eine Schwalbe. Sie schlüpft abends unter die Dachsparren, um dort zu übernachten. Ob sie es war, die uns Glück gebracht hat?

Kommentare

Sati hat gesagt…
Juhu, es läuft! Freut mich sehr.
Da kannst du ja den Grill jetzt eigentlich auch in zweifacher Funktion weiterverwenden: Als Grill eben und als Mahnmal, welches dich und deine Partnerin stets daran erinnert, euch nicht mehr zu schnell auf Amigos einzulassen.
Die Lektion an sich ist doch gut und es hätte unter Umständen auch eine weitaus teurere sein können. Hoffe, deine Freundin kriegt es jetzt auch noch hin, daß nicht die ganze Arbeit an dir hängt.

Jetzt wünschen wir dir und euch weiterhin jede Menge netter Gäste und vielleicht auch ein paar bezaubernde Musikanten darunter für lauschige und regenfreie Sonnentage und -nächte, bitte grüß´ auch die kleine Schwalbe ganz herzlich (sicher bleibt die nicht lange allein?), Labbatú y ElCuervoMuyContentoeLasNoticiasBrasilenos
Juansi hat gesagt…
Liebe Gabriela,

ich bin immer noch total begeistert über Deine Geduld und Deinen Humor, mit denen Du die Sachen hier schilderst und anpackst. So etwas sollte mal in Deutschland passieren... undenkbar.
Vielleicht wirst Du ja langsam brasilianisch, das ist bestimmt ne Persönlichkeitsbereicherung, oder?.

Grüße von der viel zu ungeduldigen Juansi
Ursel hat gesagt…
hehe, obá !

Na, hoffentlich hast Du keine grauen Haare drüber bekommen :)

Ich hab meinen Architekten dann mal persönlich besucht am Smastagnachmitteg. Er war allein zuhaus mit Hund und ässerste jovial, wollte mir auch bei der Stellensuche helfen. Es würde mir ja reichen, wenn er SEINE Arbeit macht !!
Auch so'n amigo, Hilfe !!
Er hat unsern Auftrag nicht geshcafft, sondern ihn an einen andern Architekten weitergegeben und der sollte am Montag hier vorbeikommen, um alles mit mir zu besprechen.
Daran, dass heute schon Donnerstag ist, sieht man, dass ich noch anderes zu tun habe ;)
Ich werde ihn also weiterhin nerven, habe jetzt auch über den Anrufbeantworter die Handynummer. Sehr praktisch :))

Wir schaffen das schon !

Liebe Grüsse an die Küste und immer schön rasu an die frische Luft, damit Du keine Rauchvergiftung bekommst ;)

Ursel
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Liebe Labbatú,
das mit dem Mahnmal ist gut. Schön langsam wurschteln wir uns an die Oberfläche. Habe die Grüsse an "andorinha" ausgerichtet. Sie hat sich begeistert gepludert und dann ein paar Träumen gewidmet...

Liebe Juansi,
du hast recht. In Deutschland hätte ich mich wahrscheinlich auch schon eher ganz schön aufgeregt. Aber hier ist der Rhythmus ein anderer, was auch ein Grund für mich war, mich auf das Wagnis Brasilien einzulassen. Und es ist schon auch interessant, zu sehen, wie sich manche Probleme lösen oder lösen lassen. Quasi ein tägliches, kleines Abenteuer. Ja, ein bisschen habe ich mich schon einfärben lassen, mit der brasilianischen Gelassenheit, was mir, die ich doch eher eine Perfektionistin bin, sehr gut tut...

Liebe Ursel,
bleib am Ball. Das mit dem MOntag kenne ich. Inzwischen frage ich schon immer "welcher Montag?", schließlich hat das Jahr so an die 52 Montage... Aber, du schaffst das schon. Nerven ist eine gute Taktik. Tudo vai dar certo...

beijos an euch alle
Gabriela

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