Grillblues

Das mit den Amigos ist hier ein beliebtes Spiel. Du sagst, du brauchst etwas, und schon hat jemand einen Amigo, der das für dich viel, viel, viel billiger, schneller, unkomplizierter und überhaupt besser machen kann. Du versuchst noch abzuwiegeln. Nein, nein, kein Problem, ich mache das schon selbst. Zu spät. Schon ist der Amigo informiert und nicht mehr aufzuhalten. Wer am Ende des Spiels draufzahlt, das bist du, und das doppelt. Denn, was viel besser und günstiger und weiß nicht was ist, stellt sich als schlechter, teurer und als Reinfall raus.

Äh, so wollte ich das gar nicht. Ich brauche eigentlich... Zu spät. Was? Da will ich dir helfen, tu dir einen Gefallen, setze alle Hebel in Bewegung, fahre eigens zum Amigo, handle wie ein Teufel mit ihm und jetzt willst du dich beschweren? Ist das der Freundschaft Dank?

Du kannst dich wehren wie du willst. Das Teil, das du so nicht wolltest, wird bei dir bleiben. Du darfst den Amigo den überteuerten Preis bezahlen und dem Freund oder Bekannten schuldest du einen Freundschaftsdienst, auch dann, wenn du ihn schon monetär entlohnt haben solltest, was manchmal ganz nebenbei mit dem Satz "einen Zehner könntest du ja schon für meine Dienste springen lassen" gefordert wird.

Als Manuele mir erzählte, dass ein Freund jemanden kennen würde, der ganz günstig, ganz tolle Grills baut, ging bei mir schon die Warnlampe an. Das mit den Amigos ist so eine Sache, habe ich gesagt und versucht, den Ball zu stoppen. Doch der rollte schon mit Tornadogeschwindigkeit von dannen. Der Amigo des Freundes stellte sich als Schmied heraus. Er versprach den Grill in drei Tagen zu bauen. Es wurden drei mal drei mal drei Tage und das schnelle Ende kam auch nur, weil ich nach drei Wochen damit drohte, dass er sich den Grill doch sonstwohin. Nach drei Wochen verriet der Freund auch ein Geheimnis. Der Schmied, der angeblich die besten Grills in der Umgebung baut, hat noch nie einen solchen gebaut, weil er eigentlich sein Geld mit dem Schmieden von Zäunen und Fenstergittern verdient.

Du kannst dem Amigo sagen, dass er den Grill nicht mehr fertig bauen muss, ich habe jetzt einen anderen bestellt, habe ich zum Freund von Manuele gesagt. Da hat er gestaunt, ein wenig geschimpft und beleidigt zum Telefon gegriffen. Schwupps, heute war er dann auch schon da, der Grill. Ein ewig schmales, schwarzes Eisenteil mit nur einer winzigen Ablage. Zwei Etagen Grillroste hätte er eigentlich haben sollen, eine zum rösten der Spieße und eine auf der die fertigen Spieße darauf warten gegessen zu werden. Es wäre alles ganz genau durchdacht. Grillroste würden nur verdrecken. Mit seinem Grill könnten wir die Spieße direkt über der Kohle braten und die fertigen Spieße könnten wir dann auf das kleine Rostteil legen. Doof nur, dass die Kohle genau da nachgefüllt werden muss, wo die Spieße liegen sollten. Eine Schublade zum entfernen der Asche fehlt auch. Am Rand sind lauter Löcher. Aber das ist doch Absicht, damit mehr Luft zur Kohle kommt. Sieht eher so aus, als sei das Eisen, das er verwendet hat, schon angerostet oder angenagt gewesen. Deswegen hat er wahrscheinlich auch den Grill mit dieser stinkenden, schwarzen Farbe eingepinselt, die jetzt an unseren Fingern klebt, weil das Teil noch nicht trocken ist. Hoffentlich wird die Farbe nicht an unseren Spießen kleben bleiben. Möchte auch nicht wissen, was sie alles für giftige Dämpfe freisetzt, wenn wir den Grill anheizen. Für Industriegrills gibt es wenigstens Gesundheitsvorschriften für die Materialen. Für unser tolles Teil gibt es nichts.

130 Reais hat Manuele gezahlt. Ich war zu langsam, konnte sie nicht daran hindern. Als sie anrief, dass der Grill da ist, habe ich mich gleich auf den Weg gemacht. Zu spät. Sie hatte ihn schon in Empfang genommen und bezahlt. Wert ist er höchstens 80 Reais. Für 130 Reais hätten wir einen Mercedesgrill von Apollo kaufen können - mit Ascheschublade, Türchen zum Nachfüllen der Kohle, völlig aus Inox und mit 3 Jahren Garantie.

Manuele, der hat uns sauber über den Tisch gezogen, der Amigo von deinem Freund.
Was sollen wir tun? Ich habe ihn schon bezahlt.
Herrschaftszeiten.
Vielleicht macht er noch ein paar Nachbesserungen, wenn wir ihn darum bitten.
Vielleicht dürfen wir dann noch einmal drei mal drei Wochen warten.
Seufz.
Ich werde morgen mit dem Freund reden, dass er mir die Adresse vom Amigo gibt, damit ich da hin fahren kann, mit dem Grill im Kofferraum. Vielleicht bessert er ja wirklich noch ein paar Dinge nach, bis er dem bezahlten Betrag entspricht. Wer weiß. Zumindest muss er noch einen schmalen Grillrost bauen, damit wir darauf unser Brot grillen können. Unten muss er eine Ablagefläche installieren. Die Seiten muss er besser verschweissen. Vorne muss er eine Klappe reinbauen, damit wir die Asche rausholen und Kohle nachfüllen können. Und wenn er nicht will, muss er mit dem Preis runter gehen. Wenn er das auch nicht will, kann er den Grill jemand anderem an die Nase binden.

Zumindest versuchen werde ich es - so denn der Freund die Adresse vom Amigo überhaupt rausrückt...

Kommentare

sam hat gesagt…
Also da fällt einem doch nichts mehr ein!!!
Deppen? Schlitzohren? Depperte Schlitzohren?

Ich hoffe, Du schaffst es Dich aus dieser Amigopresse rauszuziehen und dem seinen Eisenhaufen wieder hinzustellen, die 130 Eier zurückzufordern und Deinen Mercedesgrill zu kaufen. Immerhin wirst Du täglich damit arbeiten!!!

Erinnert mich alles ein bisschen an meine Zeit in Italien: "Da gehst Du zu dem und dem und sagst ihm einen schönen Gruss von mir..." Bin ich auch paarmal drauf reingefallen. Oft konnte man sogar zu demundem gehen, aber besser ohne den schönen Gruss. Der war quasi eine Freikarte, irgendwas zammzuwurschteln, eine nähere Erklärung dafür, dass es ein Auftrag zweiten Ranges ist.

So kam ich damals zu Amalgamfüllungen, die nicht mal hielten, Reitstiefeln in Grösse 40 (ich hab 38) vom Schuster angemessen und einem Auto, das nach jeder Reperatur unzuverlässiger wurde.

Wenn ich dann voll Ingrimm wieder hinstapfte, hiess es: Die Tedesci, deutsche Korinthenkacker, typisch usw. Und ich trug mich lang mit dem Vorurteil, die Italiener könnten echt nix ausser kochen und singen.

Grüsse
und ein dem Machwerk angemessenes Auftreten beim Schweisser- und Blechbiegermeister

wünscht Sam
Ursel hat gesagt…
Jo, allerdings, viel Erfolg und genug Wut im Bauch, wenn Du da ankommst !

Das find ich klasse !!!

Mit der Amigofalle haben wir hier zum Glück bisher nicht allzuviel Probleme gehabt..Aber wer weiss, ich bin gewarnt :)

Nur mit unserm Architekten habe ich auch noch sowas vor. Nur: der lÄsst sich immer verleugnen zuhause und am Telefon redet er sich raus. Aber jetzt haben wir einen Nachbarn, dem es mit demselbigen Architekten ebenso geht (kein "Projekt", keine Bearbeitung des Auftrags, keine Wohngenehmigung und wir wohnen schon 1 Jahr im Haus ohne Papiere..) Da werden wir uns demnächst mal zusammen tun ;)

Abração
Ursel
Juansi hat gesagt…
Wünsche Dir weiterhin viel Durchhaltevermögen und Humor im Umgang mit Regenwetter und Amigos! Ich staune jetzt schon. Eure Bar sieht aber auch wirklich hübsch aus!
Grüße von Juansi
Sati hat gesagt…
Hola, Gabriela!

Und, wie ist es gelaufen? Warst du schon dort?

Das Spielchen gibt es auf Kuba auch, und ein Amigo ist wichtiger als der andere. Allerdings ist es auf Kuba auch oft sinnvoll, da es dort ja offiziell nicht viel gibt und fast alles verboten ist. Eile sollte man keinesfalls haben. Ich habe so oft den Kopf geschüttelt dort darüber, wer und wieviele Leute in irgendwelche Prozesse eingewoben sind und mehrfach konsultiert werden müssen, bis dann nach ein paar Äonen tatsächlich etwas geschieht. Das ist eben ein andere Zeitempfinden und auch diese ganzen zwischenmenschlichen Spielchen laufen ja viel subtiler und komplizierter.
Das ist ein Grund, warum ich dort nicht gut überleben könnte - ich würde durchdrehen über so viel Kompliziertheit. Als Touri und wenn du nicht ernsthaften Bedarf für etwas hast ist es soweit ganz interessant und auch lustig. Aber bloß nicht drauf angewiesen sein!

Auch in Afrika habe ich mit mal ein recht einfach zu bauendes Instrument bestellt bei jemand und nicht schlecht gestaunt, wie lange der gebraucht hat, bis er es fertig hatte - bis ich gecheckt habe, daß er sich tatsächlich in der ganzen Stadt die Fersen wundgelaufen hat für drei gebrauchte und rostige Sägeblätter, mit denen der Sound erzeugt wird.

Aber du bist ja nicht in Afrika oder auf Kuba, gell. Ich wünsche dir also
die offensichtlich bessere Variante, nämlich diesen tollen Fertiggrill mit Garantie!

Ist es nicht eine gute Gelegenheit, den Herren vor Ort zu demonstrieren, daß du dich nicht verscheißern läßt?

Alle guten Wünsche, Labbatú y ElCuervoAmigoMuyImportante
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Hallo ihr Lieben,
depperte Schlitzohren. Stimmt. Und ich Dödel mal wieder mittendrinnen. Nehme mir vor, mich das nächste Mal gar nicht erst auf eine Amigo-Diskussion einzulassen. Der Blechbiegemeister spricht inzwischen nicht mehr mit mir. Ist auch besser so. Der Freund vom Amigo tut auch so, als würde er mich nicht sehen. Ich grüsse ihn deshalb besonders auffällig und laut.
Labbatú, dein cuervo hat einen Freund zu uns geschickt, einen Glücksbringer, eine andorinha, eine kleine Schwalbe, die in unserer Kioskbar nächtigt...
Liebe Grüsse
Gabriela

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