Gelber Rasen, gelbe Spieler, gelber Fernseher

Ja, was machen sie denn? Sie sollen die Besten sein, sagen sie, laufen aber nur herum. 12 Minuten und noch immer kein Tor. Schade. Das findet auch der Fernseher und gibt auf - seinen Geist. Statt grüner Rasen und elf Männern im gelben Trikot ist nur noch Gelb zu sehen. Sonst nichts. Dabei hatten wir ihn erst unlängst von Alessandros Eltern geschenkt bekommen. Sie gehören seit einigen Wochen einer Kirchengemeinschaft an, deren Oberhaupt es für Sünde hält, fern zu sehen und es deshalb seinen Anhängern verbietet. Nur schweren Herzens hatte sich meine Schwiegermutter von ihrem Fernseher getrennt. Wir waren indes ganz begeistert. Er funktionierte super. Eine große Bildfläche, ein scharfes Bild. Bis heute. Bis zur 13. Spielminute Brasilien Kroatien. Dann wollte er nicht mehr.

„Macht nichts“, sagtAlessandro. „Wenn ein Tor geschossen wird, bekomme ich das auch so mit.“ Dann beschloss er doch, zum Nachbarn zu gehen, um dort den Rest der ersten Halbzeit zu sehen. Der Nachbar hatte schon Feierabend. Das Geschäft, in dem er arbeitet, hatte schon zu Mittag geschlossen, damit alle das Spiel ansehen können.


Ein paar Minuten später durchbrechen Gol-Rufe und Feuerwerkskörper die Stille, die sonst eigentlich nur nachts herrscht, nicht aber schon am Nachmittag. Jetzt wurde sie aber durchbrochen. Ein Tor für Brasilien muss gefallen sein. Das ist wie Gespensterradio. Du hörst irgendetwas, weißt aber nicht wirklich, was passiert. Hitchcock mal anders, aber auch spannend.

In der Pause kommt Alessandro zurück, klettert aufs Dach. „Es muss an der Antenne liegen“, sagt er und bastelt an Antenne und Verstärkerkästchen herum. Ab und zu gibt es sogar ein Bild, dann wieder nicht. Schließlich gibt er auf, klettert über den Gummibaum wieder herunter, bricht sich dabei fast alle Knochen, weil ein Ast unter seinen Füssen unter lautem Krächzen nach unten kracht. Der Fernseher streikt indes immer noch ganz in Gelb.

Kurz später noch einmal das Knallen und Knattern von Raketen. Ein weiteres Tor? Oder ist schon Spielende? Spielende. Alessandro läuft noch einmal zum Nachbarn. Enttäuscht kommt er zurück. Enttäuscht, weil er das erste Spiel seiner Mannschaft nicht gesehen hat und auch ein wenig darüber, weil es nur Eins zu Null ausgegangen ist. Wo die meisten doch mindestens auf ein Drei zu Eins oder ein Vier zu Null, manche sogar auf ein Fünf zu Null getippt hatten. Aber, so ist das mit den Favoriten. Wir können die WM jetzt jedenfalls von einem ganz anderen Winkel aus verfolgen - ohne Fernseher. Hat auch was.

Kommentare

Ursel hat gesagt…
Hallöle !

Habe grad Deine neuen Geschichten zur WM gelesen :)

Ich habe mir noch schnell für 5 Reais eine (deutsche, versteht sich !)Fahne nähen lassen, musste einfach sein, bei soviel brasilianischen Fahnen hier, hihi :)
Vorher hatte ich noch nie eine..
Ein T-Shirt hab ich mit einem Herz drauf und der bras. Flagge drin, einem EKG-Streifen ringsrum und auf dem Rücken "meu coração bate Bra-sil"...aber wenn's um Deutschland ODER Brasilien geht, schlägt meins dann auch noch nicht gelb-grün..

Ob die WM von Deutschland "gekauft" wird, so wie die WM 1998 von Frankreich ??
Da war ja auch auf einmal mit Ronaldo garnix mehr los, komisch, nicht ?!
Nee, wenn die nur SO gewinnen können, dann können die mich mal !


Liebe Grüsse

Ursel
Gabriela B. Lopes hat gesagt…
Liebe Ursel,
vamos ver... oder schau ma mal...
Habe auch schon überlegt, ob ich nicht eins meiner T-Shirts mit schwarz-rot-gold bemale. Der Nachbarsbub war ganz begeistert von meiner Idee. "Da fehlt dann nur noch grün für den Rasta", hat er mir erklärt. Dann hab' ich's doch sein lassen. Aber, ich kann's ja noch nachholen. In Dtl wäre ich auch nie auf so eine Idee gekommen. Komisch, was? Da muss eine erst nach Brasilien ziehen...
liebe Grüsse
Gabriela

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