Mercado und Pinhão

Ist er nicht hübsch, der "Mercado" von Antonina? Acht Jahre lang wurde daran herum geplant und gebaut.
An seiner Stelle stand schon mal eine "Markthalle", die von Fischern und Händlern genutzt wurde. Dann setzte einer der Bürgermeister ein Glashaus hin. Privat. Das hielt zum Glück nicht lange. Es entstand die Idee, den alten Mercado wieder aufzubauen. Das ist lange her. Verpsprechen zogen wie Wahlperioden von Stadträten und Bürgermeistern übers Land, bis es endlich so weit war und der Beschluss zur Wiederbelebung des historischen Gebäudes gefasst wurde.
Noch einmal wechselten Bürgermeister und Stadträte und mit ihnen Architekten und Bauarbeiter. Eine Arbeit der opostionellen Vorgänger ungeändert weiterzuführen, scheint für viele Politiker ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.
Vor etwa zwei Jahren hatten wir uns für eins der Restaurants in diesem Mercado beworben. Wir erhielten eine Teilnehmernummer und dann lange nichts mehr. Wir beschlossen, das Grundstück zu kaufen und siehe da, es kam ein Bescheid der Gemeindeverwaltung, dass wir uns jetzt mit der erhaltenen Nummer noch einmal bewerben könnten und ein Angebot abgeben sollten. Da war die Luft schon raus, unser Geld schon ausgegeben.
Nur Alessandros Mama, die glaubte noch eine Zukunft mit dem Mercado. Sie übernahm unsere Nummer und gab ein Angebot für eine "Lanchonete", einen Imbiss, ab. Eine Lanchonete benötigt weniger Einrichtung, weniger Arbeitshilfen, als es ein Restaurant tut. Ich fand die Idee gut. Sie kocht ausgezeichnet. Was ihr fehlt ist ein wenig Organisationstalent und die Fähigkeit ökonomisch zu handeln. Aber da kann ihr Alessandro mit seiner Pousada- und Restaurant-Erfahrung helfen.
Im Februar, nach kaum zwei Jahren warten, kam er, der Zuschlag. Mit ihm der Hinweis, dass noch einige Umbauarbeiten fehlen würden. Es musste am Neubau nachrenoviert werden, weil die Abflussrohre falsch berechnet und verlegt worden waren und noch so ein paar andere Mängel zu Tage kamen. Die sind jetzt weitgehend behoben. Es kann mit der Ausstattung der Lanchonete und dem Betrieb begonnen werden.
Gestern, als Anujas Glückssträhne eintraf, sind wir deshalb nach Curitiba, in die grosse Stadt gefahren. Regen war angesagt. In der Früh empfing mich indes eine strahlende Herbstsonne. Guter Dinge sind wir los gedüst. Ich hatte mir vorgenommen, mich nicht aufzuregen und nicht mit ihr zu streiten. Seltsamerweise gelang das ausgesprochen gut. Wir schafften es sogar, fast alles einzukaufen, bevor die Geschäfte schlossen. Trotz Grossstadt schliessen die Geschäfte samstags ihre Pforten spätestens um 13 Uhr.
Bei der Rückfahrt streifte uns das Glück noch einmal. Wir nahmen die alte Serpentinenstrasse über die Berge. Graciosa ist ihr Name und anmutig ist sie auch. Nach fast jeder Kurve bietet sie neue Ausblicke auf die Berge und bei guter Sicht auch auf das anschliessende Meer.
Kurz vor der Polizeistation (die gibt es hier entlang der Strassen alle paar Kilometer) hielten wir an, um Pinhão zu kaufen. Riesige Pinienkerne, die ähnlich wie Maroni schmecken. Wir fuhren gleichzeitig mit einem anderen Pärchen los, liessen ihnen noch den Vortritt. Schwupps, hielt die Polizei das Pärchen an. Damit waren alle Polizisten beschäftigt und wir konnten unbehelligt weiterfahren. Glück gehabt. Mein Führerschein ist immer noch nicht legalisiert und ich habe immer noch nicht die Autosteuer 2008 bezahlt. Beides hätte uns ein wenig Probleme einbringen können, wäre da nicht das freundliche Pärchen gewesen, dessen Papiere und Gefährt nun an unserer statt unter die Lupe genommen wurden.

So, jetzt werde ich noch ein wenig in mich gehen. Vielleicht gelingt es mir ja wirklich, ein Bild zu malen. Irgendwie ist mir gerade danach, nachdem ich ewig keinen Pinsel mehr in der Hand hatte.
Kommentare
Schandflecke und Bruchbuden. Und wenn's dann wegen Mängeln geschlossen oder abgerissen wird, ist keiner Schuld. Die Galle könnt' mir hochkommen.
Scheint kein rein europäisches Phänomen zu sein, wenn ich das von deinem schönen Mercado so lese. Gefällt mir aber optisch sehr!
Und dass du dir vorgenommen hast, deiner Schwiemu gegenüber geschmeidig zu bleiben, das kenne ich auch. Wenn ich mir das vornehme, bevor ich zu meinen Eltern und meinem Bruder fahre, KANN das auch helfen. "Ooommmm! Nicht streiten! Nicht rechtfertigen! Ooommm!"
Hast du eigentlich keine Skrupel wegen des vorgelassenen Pärchens? ;P Nee, im Ernst, kann ich gut verstehen.
Und der Pinienkern sieht SEHR lecker aus!
Die Pinien sind wirklich lecker, lecker, lecker...
lg
Gabriela
Einfach wäre es sicher auch nicht geworden mit ihr, obwohl ich sie gern gehabt habe.
Dafür ist aber meine Herkunftsfamilie ein regelmäßiger Prüfstein für mich. ;)
DEINE Schwiegermutter halte ich aber für ein klein wenig gefährlich - Kredite in eurem Namen ohne euer Wissen aufnehmen, weia, da ist hier in D der heilige Bürokratius davor, gelobt sei er für dieses Mal!
Was ich jetzt nicht verstanden habe: Hängt ihr nun in dem Imbissbetrieb im wirklich hübschen Mercado (direkt am Meer gelegen, wie wunderbar!) mit drin - oder seid ihr raus und geht auf´s Grundstück? Oder wißt ihr es vielleicht selbst noch nicht so recht?
Anuja und ein neugieriger Vogel
ich glaube, es ist wohl letzteres. Wir wissen nicht wirklich, was wir da tun. Also finanziell haben wir uns zum Grossteil heraus gehalten. Und so lange wir nicht wirklich auf unserem Grundstück loslegen können, helfen wir eben beim Einrichten und dann auch beim Hinterntresenstehen. Da hab' ich ja schon übung von damals mit unserer Strandbar. Wer weiss, vielleicht kommt ja so auch ein wenig Geld in unsere Kasse. Und später können wir dann einmal die Früchte von unserem "Landgut" dort in Form von Fruchtsäften verkaufen...
Der Mercado liegt äusserst idyllisch. Leider haben wir von der Lanchonete aus keinen Blick nach draussen. Es gibt zwar ein Fenster. Das hat der Architekt aber aus ästhetischen Gründen in drei Meter Höhe angebracht. Toll. Geöffnet wird es mit einem Seilzug. Zum Schliessen werden wir wahrscheinlich einen Besen brauchen. Architekten.
liebe Grüsse
Gabriela
Und ja: Architekten scheinen sich oft bereits in der Mitte von Denkprozessen auszuklinken und mental einen Raum weiterzugehen ...
Beim neuen U-Bahnbau hier in der Kolonie haben sie am Dom glatt vergessen, einen Fahrstuhl für Gehandicapte miteinzuplanen.
Buena suerte, Anuja